FWF-Chef Klement Tockner schlägt drei Säulen für ein künftiges Exzellenzprogramm vor.

Das seit einem Monat bekannte Regierungsprogramm von ÖVP und FPÖ hat in Sachen Forschung und Innovation durchwegs positive Resonanz gefunden. Zwar enthält es vor allem Schlagwörter, diese entsprechen aber seit langem formulierten Forderungen aus der F&E-Szene. Schon im 2013 erschienenen Weißbuch des Rats für Forschung und Technologieentwicklung wurde mehr Autonomie für die Förderagenturen des Bundes postuliert. Betroffen sind die Forschungsförderungsgesellschaft FFG, Austria Wirtschaftsservice AWS, beide im Eigentum von Verkehrs- und Wirtschaftsministerium, sowie der Wissenschaftsfonds FWF, der zum Wissenschafts- und Bildungsministerium ressortiert – wobei Letzterer schon aus gesellschaftsrechtlichen Gründen seit jeher mehr Unabhängigkeit genießt.

FFG und AWS erhalten von ihren Ressorts Beauftragungsverträge, in dessen Rahmen sie sich bewegen können – was bei einer Vielzahl an Programmen zu einer großen Zahl an Verträgen führt, die Rechtsabteilungen stark beschäftigen. Nun könnte es zu Vereinfachungen kommen, die im Weißbuch des Rats als "Agencification" bezeichnet wurden: Für ein strategisches Ziel würde dann ein Rahmenvertrag mit der Agentur abgeschlossen werden. Über die Wahl der Förderinstrumente könnten FFG und AWS selbst entscheiden.

Weitgehende Unabhängigkeit

Weitgehende Unabhängigkeit dürfte ja auch einer der Hauptgründe für den Erfolg der Christian-Doppler-Gesellschaft sein, der in einer aktuellen Evaluierung vom Industriewissenschaftlichen Institut (IWI) und vom Economica Institut für Wirtschaftsforschung ein gutes Zeugnis ausgestellt wurde. Im Auftrag des Wirtschaftsministeriums werden seit 1995 Kooperationen von Wissenschaft und Wirtschaft gefördert – vornehmlich an Unis (mit 80 Doppler-Labors), seit einigen Jahren auch an FHs mit Josef-Ressel-Zentren.

Die Selbstständigkeit sei, so CDG-Präsident Reinhart Kögerler, seit 23 Jahren im Amt, ein Garant für die positiven Effekte, die beiden Seiten der Kooperation – Wissenschaft und Wirtschaft – zugutekommen. Die Daten dazu: Über 90 Prozent der Laborleiter bewerten die Zusammenarbeit mit den Unternehmen und den wissenschaftlichen Freiraum als gut bis sehr gut. Fast 100 Prozent der Unternehmen sehen die Forschungsarbeit in den Labors als praxisnah.

Bottom-up-Anträge

Die Anträge kommen stets von den Wissenschaftern selbst ("bottom up"). Kögerler: "Die müssen sich dann Wirtschaftspartner suchen. Aber das war es dann auch schon. So kann in einem mit dem Unternehmen abgestimmten Rahmen Wissenschaft auf hohem Niveau betrieben werden. Wir wollen das eigentlich nicht anders." Eine Abkehr davon, also Top-down-Labore zu installieren, ist also nicht vorstellbar.

Ein zweiter zentraler Punkt im F&E-Teil des Regierungsprogramms wird ebenfalls schon lange diskutiert: ein Exzellenzprogramm zur Stärkung der hierzulande traditionell unterdotierten Grundlagenforschung. Der Wissenschaftsfonds FWF empfiehlt es, "um langfristig Wohlstand und Wertschöpfung in Österreich zu garantieren."

FWF-Präsident Klement Tockner freut sich: "Wir müssen jetzt den Forschungsturbo einschalten." Er schlägt drei Programmsäulen vor: zum Ersten Zukunftsprofessuren, um die Chancen von herausragenden Nachwuchswissenschaftern an heimischen Universitäten zu erhöhen. Zweitens, so Tockner, "planen wir themenoffene Forschungsverbünde", die "gesellschaftliche Relevanz" mitberücksichtigen. "Ich kann mir vorstellen, dass sich wissenschaftliche Teams standortübergreifend finden." Ein erster Schritt ist mit einem von der Nationalstiftung mit fünf Millionen Euro geförderten Programm getan, das gemeinsam mit der Forschungsförderungsgesellschaft FFG, der Christian-Doppler-CDG und der Ludwig-Boltzmann-Gesellschaft LBG aufgesetzt wurde: "Pionierlabore", wie Tockner sie nennt, in denen Raum für künftige Durchbrüche vorbereitet werden soll.

Verbesserte Infrastruktur

Die dritte Säule wäre eine verbesserte Infrastruktur, die nicht nur die technisch-naturwissenschaftlichen Disziplinen schon lange fordern. "Rund um eine zukunftsweisende Infrastruktur sollten sich dann Hot Spots der Forschung formen", hofft Tockner, der auch einen Kulturwandel im eher wissenschaftsfeindlichen Österreich erwartet. Der FWF-Präsident glaubt, dass ein derartiges Exzellenzprogramm etwa 100 Millionen Euro jährlich bräuchte – zusätzlich zum FWF-Jahresbudget, das man aus seiner Sicht dringend auf das Niveau der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG heben muss. Das wären dann etwa 290 Millionen Euro jährlich. Derzeit hat der FWF etwa 180 Millionen pro Jahr aus Bundesmitteln zur Verfügung und muss Projekte für etwa 1500 Wissenschafter pro Jahr abweisen, "die zwar exzellent, aber derzeit leider nicht finanzierbar sind". Das sei ein Verlust an Kreativität und Innovationskraft.

Experten des Wiener Forschungsinstituts WPZ Research haben den Ideen des FWF erst kürzlich recht gegeben: Demnach sei das heimische Innovationssystem im europäischen Mittelfeld gefangen. Um an die Spitze zu gelangen, brauche es neben Initiativen für Unternehmen und Digitalisierung auch einen verstärkten Exzellenzfokus an den Unis.

Die nächste Strategie

Insider nehmen an, dass all diese Punkte auch Bestandteil der nächsten Forschungsstrategie sein werden. Die aktuelle sah vor, Österreich bis 2020 zum Innovation-Leader zu machen, mit F&E-Ausgaben in der Höhe von 3,76 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Derzeit liegt Österreich bei 3,14 Prozent, was ein hohes Niveau ist – aber Österreich noch nicht zum europäischen Innovation-Leader macht. Abzuwarten ist auch die von der SPÖ-ÖVP-Regierung in Auftrag gegebene Innovationsstudie der OECD, die voraussichtlich im kommenden Dezember 2018 vorliegen wird.

Die vergangene F&E-Strategie kam von der Politik. Wie die nächste entstehen wird, erscheint derzeit unklar – auch welche Rolle der Forschungsrat dabei haben könnte. Im Regierungspapier wird nämlich eine Zusammenlegung von diesem mit dem für Uni-Agenden zuständigen Wissenschaftsrat und mit dem am Wissenschaftsministerium angesiedelten ERA Council angekündigt. Das könnte 2020 passieren, wenn die Funktionsperiode der derzeitigen Ratsmitglieder zu Ende geht. (Peter Illetschko, 21.1.2018)