Mein verehrter Kollege J. berichtet aus Brüssel, dass kaum ein anderer Begriff im Gestrüpp der EU-Bürokratie so üppig wachse und gedeihe wie der Begriff der „Herausforderung“ (das gilt natürlich auch für seine Entsprechungen in den anderen EU-Amtssprachen, „challenge“, „défi“ und so fort).

J. beanstandet zu Recht, dass die Fügung „eine Herausforderung annehmen“ eine schlechte Übersetzung aus dem Englischen ist, weil man im Deutschen Herausforderungen nicht annimmt, sondern sich ihnen stellt. Das ist nicht alles, was man der Herausforderung vorwerfen kann.

Der Begriff ist deshalb so überaus erfolgreich, weil er es erlaubt, auf kommode Art real existierende Probleme - und oft genug solche, die man selbst verursacht hat – sprachlich aus der Welt zu schaffen. So könnte zum Beispiel eine Firma, die jahrelang gesundheitsschädlichen Dreck in die Luft bläst und dafür kritisiert wird, durchaus die Stirn haben, sich aus der Affäre zu stehlen, indem sie einfach behauptet, dass sie dies als „Herausforderung“ ansehe, sich „noch intensiver“ um den Umweltschutz zu bemühen.

Ein klassischer Schmäh: Das Problem ist – wenn auch nur sprachlich - aus der Welt, und darüber hinaus erweckt man auch noch einen zupackend-aktiven Eindruck, weil man ja gewillt ist, „Herausforderungen anzunehmen. Die Herausforderung ist ein politisch verdächtiger Begriff. Wo zu oft von ihr die Rede ist, sollten die Warnlampen zu blinken beginnen.