Bis zu sechs Meter hoch sind die Natursteinmauern, die die unterschiedlichen Niveaus der Reisterrassen markieren.

Wojciech Czaja
Yedbo Immotna kaut entspannt seine kleine Portion Momá, einen tiefroten Kautabak, der nach erfolgtem Genuss wieder ausgespuckt wird. Die Mischung macht's aus, doch das Rezept ist ganz simpel. Eine Betelnuss wird in ein Betelblatt gerollt, dazwischen wird zu guter Letzt noch etwas Lime eingestreut, jenes halluzinogene Pulver, das aus verbrannten Muscheln gewonnen wird.

Sämtliche Männer hier im Norden der Hauptinsel Luzon - die Hauptkonsumenten der selbst gebastelten Droge - verraten sich nicht nur durch ihren gelösten Blick, sondern vor allem auch durch ihre knallroten Zungen und Lippen. Die Straßen im Dorf sind fleckig bespuckt, nicht einmal die heftigen Güsse in der Regenzeit schaffen es, den heimtückisch roten Film vom Asphalt wegzuwaschen.

Der Europäer schlägt angesichts solcher Ersteindrücke in den Farben Rot und Grün die Hände über dem Kopf zusammen, im 15.000 Einwohner zählenden Banaue indes herrscht Business as usual. Reges Markttreiben in 1200 Metern Seehöhe, ständig schneiden einem die dreirädrigen, motorisierten Tricycles den Weg ab, ein Gegacker und Gekicher liegt in der wolkenverhangenen Luft.

"Stufen zum Himmel"

Die eigentlichen "Stufen zu Himmel", wie die Postkartenszenerie aus Reisterrassen von den Einheimischen so gern genannt wird, liegen aber noch in einiger Entfernung. Doch dort kann dann kein Bus aus Manila mehr sich durch die Kurven quälen, geschweige denn wenden. Die einzige Möglichkeit, die holprigen Straßen ab nun zu befahren, bietet sich daher in einem der vielen Jeepneys. Das sind jene lang gestreckten und umgebauten Jeeps, die als philippinisches Erkennungsmerkmal quer durchs ganze Land touren - blechern glänzend, geschmückt mit Blinklichtern und buhlenden Kühlerfiguren, gelegentlich findet sogar noch das eine oder andere Marienbild Platz auf der Karosserie.

Los geht's. Schon am Dorfende weist die unebene Pferdestraße spitze und enge Kurven auf. Bald ist Banaue im Rückspiegel nicht mehr zu sehen, bald ist die rote Farbe vom Straßenbelag verschwunden. Eine Gabelung. Rechts führt die Straße bis ans Talende weiter, links geht es steil bergauf. Ab nun hilft nichts mehr, der Rest der Reise muss zu Fuß absolviert werden. In einem trockenen Bachbett geht es bis zum Bergsattel hinauf, ein schmaler Trampelpfad führt darauf wieder weiter ins Nachbartal. Stundenlanger Fußmarsch - das ist die einzige Erschließung des ersehnten Zieldörfchens namens Batad.

"Als Jugendlicher habe ich hier als Träger gearbeitet, wie viele Männer in der Gegend", erzählt Yedbo. Lastenträger zu sein ist in der Tat einer der härtesten, dafür lukrativsten Jobs hier oben. Zu vielen Ortschaften führt keine Straße, und die Träger lassen sich die ruinöse Schlepperei von Fleisch und Gemüse auch gut bezahlen.

Paradiesvögel und Helikonien

Bananenstauden, Kakao und Kaffee säumen den steilen Weg. Aus den Reisfeldern blitzt ab und zu eine knallrote Dongla auf, Paradiesvögel und Helikonien machen den Spaziergang durch die exotische Blumenhandlung noch reizvoller. Und endlich, nach drei Stunden über Stock und Stein, funkeln die ersten Blechdächer von Batad hervor. Eine recht kompakte Ansammlung von wenigen Häuschen.

Ein paar hundert Seelen zählt das einsame Dorf, doch der Name Batad hat Werbewirksamkeit auf den gesamten Philippinen. Der Ort scheint, von hier aus gesehen, nicht mehr weit, doch der Schein der maßstabverzerrenden Reisterrassen trügt. Dem geübten Yedbo gelingt es zwar, das Terrain hinabzuhopsen, doch für einen Europäer mit Höhenangst heißt es jetzt Nerven zu bewahren.

Die Natursteinmauern, durch welche die Terrassen voneinander getrennt sind, können bis zu sechs Meter hoch sein - eine Balanceübung auf einem Grat aus Lehm und Stein, oft gerade einmal so breit wie zwei zitternde Füße. Auf der einen Seite der Abgrund, auf der anderen Seite die etwas sympathischere Seite des stetig wachsenden Reises im lehmig sandigen Wasserbecken.

Hauptdarsteller

Der Reis ist hier zweifelsohne der Hauptdarsteller. Er wird dem Boden mühsam abgerungen. Über 2000 Jahre ist es her, dass die Bergvölker der Ifugao die Hänge besiedelten und sie in Handarbeit und mit primitiven Werkzeug stufenweise gezähmt haben. Halbkreisförmig umschließen die Stufen zum Himmel das weite Tal, weshalb das Reisland um Batad in Tourismusfoldern auch gern als Amphitheater bezeichnet wird - oder auch als "das achte Weltwunder". Doch die Symbiose zwischen Landschaft und Landwirtschaft ist - man kann es gar nicht anders sagen - wahrhaft atemberaubend. Kein Wunder, dass hier sogar ein Reisgott namens Bulol existiert.

Dieser wird in nächster Zeit auch alle Hände voll zu tun haben. Denn die Touristenattraktion rund um Banaue und Batad, die sich seit 1995 auf der Unesco-Liste des Weltkulturerbes findet, steht möglicherweise vor einem unvermeidlichen Niedergang. "Der Schutz und die nachhaltige Entwicklung der empfindlichen Kulturlandschaft der Reisterrassen ist wegen eines fehlenden Monitoringprogramms und eines unzureichenden Managementplans nicht gewährleistet", heißt es seitens der Unesco.

Das Welterbekomitee hat die Reisterrassen im philippinischen Bergland im Dezember 2001 sogar als "akut gefährdet" eingestuft. Im Klartext heißt das, dass die wartungsintensive, künstliche Landschaft allmählich verfällt. Aufgrund der komplizierten Topographie sind die Reisbauern nach wie vor auf mühevollste Handarbeit angewiesen, maschinell ist hier nichts möglich. Die paar ackernden Carabaos, wie die hier ansässigen Wasserbüffel genannt werden, sind auch keine große Hilfe. Hinzu kommen ökologische Probleme wie beispielsweise umgelenkte Flussläufe als Folge der starken Holzrodung. Und auch der Wurmbefall setzt den chemisch unbehandelten Reisreservoirs mächtig zu. "Die Bauern werden immer rarer, die Knochenarbeit auf den Feldern wird immer härter", erklärt Jane Buyao von der örtlichen Tourismusbehörde, "da braucht man nicht mehr lange zu überlegen, ob man als Reisbauer sieben Pesos oder als Reiseleiter 30 Pesos verdienen möchte."

Reis reicht nicht mehr aus

Die Folge: Trockenlegung und Umstrukturierung von Monokultur auf einen Kombinationsanbau, beispielsweise mit Süßkartoffeln. Diese Variante ist zudem erträglicher als die 700 Gramm Reis pro Saison und Quadratmeter. Für die 165.000 Einwohner, die in der Reislandschaft ansässig sind, reicht der heimische Reis daher längst nicht mehr aus. Die Gegend um Banaue findet sich heute in der grotesken Situation wieder, Reis von den anderen philippinischen Inseln und aus China importieren zu müssen.

Nach vielen Erzählungen und vielen Steinmauersprüngen von einem Niveau aufs andere ist man im Hauptdörfchen Batad angekommen. Eine knappe Stunde hat das Gehopse in Anspruch genommen. Wahrscheinlich ist Batad der geborgenste Ort, zu dem jemals ein Unesco-Welterbe-Komitee vorgedrungen ist. Für die Einwohner bedeutet die Aufnahme in die Unesco-Liste einerseits einen Glücksgriff in die spendablen Portemonnaies von reis-und naturhungrigen Touristen - jährlich sind dies immerhin 50.000 an der Zahl -, andererseits hat dieser weltkulturelle Eingriff die ökonomischen Spielregeln der Ifugao so gehörig durcheinander gewirbelt, dass ausgerechnet die Unesco für den womöglich bevorstehenden Untergang ihres eigenen Patenkindes verantwortlich zeichnen muss. Ein Drittel der Reisterrassen ist mittlerweile nicht mehr intakt. (Der Standard/rondo/07/04/2006)