Mit manchen Wörtern geht es Ihrem Chronisten wie mit manchen Menschen: Erst sieht er sie jahrelang nicht, und dann laufen sie ihm innerhalb von vierzehn Tagen gleich dreimal über den Weg. So geschehen mit dem Wort "Oberstübchen", welches mein Unbewusstes wahrscheinlich für ausgestorben hielt, ehe es mir vor ein paar Wochen 1.) in einer "Spiegel"-Geschichte über die angeblich sträflich unterschätzte Regenerationsfähigkeit des menschlichen Gehirns erstmals seit langem wieder unterkam; sodann 2.) in Simon Borowiaks gruseliger Alkohol-Fibel "Alk" (siehe auch unter dem Stichwort "Bei Hurrikans") und schließlich 3.) in einer jener Botox-Werbebroschüren, die als Beilage von "News" verkleidet einhergehen. Ein Triple-Oberstübchen-Erlebnis!

Wie sehr ihr Chronist daneben lag, als er das Oberstübchen in Vergessenheit wähnte, hat ihm eine kurze Google-Recherche deutlich gemacht. Die brachte nämlich sagenhafte 47.000 Oberstübchen ans Tageslicht, und das, obwohl das Wort ja etwas entschieden Altbackenes und Überholtes an sich hat. Der früheste Beleg, den die Grimms in ihrem deutschen Wörterbuch anführen ("als der Wein endlich ins Oberstübchen gestiegen und die Geister ermuntert hatte"), stammt immerhin von 1744, das Stübchen hat also etliche Jahre am Buckel.

Wer gerne zu einem moderneren Kopf-Synonym greift, der kann es ja mit Ballon, Birne, Dach, Rübe, Plutzer, Kürbis, Globus, Grind, Wecker oder Wirsing versuchen - allerdings auf stilistisch deutlich tieferem Gelände.

Möglicherweise mag ja der eine oder andere Leser zur Komplettierung dieses Stichwortes seine ganz persönliche Stübchen-Assoziation beisteuern (das Hinterstübchen nicht vergessen!) oder mitteilen, was ihm sonst an Kopf-Alternativen durch denselben geht.