"Little Miss Sunshine" derzeit (Dezember 2006) im Kino

Foto: Centfox
Wien - Jedes Mitglied der Familie Hoover hat mit seinen eigenen kleineren und größeren Katastrophen zu kämpfen, und jedes hegt seine eigene Vorstellung vom amerikanischen Traum. Zusammen ergibt das eine disparate Gruppe von Individuen - sodass man sich eigentlich schon darüber wundern muss, wie es den Hoovers gelingt, gemeinsam an einem Tisch zu sitzen und dann noch ein Gesprächsthema zu finden.

Da ist Onkel Frank (Steve Carell), der Proust-Experte, der gerade erfolglos versucht hat, sich nach einer unglücklichen Liebesaffäre mit einem Studenten das Leben zu nehmen. Er muss nun bei Dwayne (Paul Dano) übernachten, dem missmutigen Sohn, der sich vorgenommen hat, solange nicht mehr zu sprechen, bis ihm die Aufnahme in die US-Air-Force gelingt.

Grandpa Edwin (Alan Arkin) wirkt in seiner vulgären Selbstgewissheit recht ausgeglichen, aber er benötigt eine Droge, um seine Stimmung konstant zu halten. Edwin hat Olive (Abigail Breslin), die Jüngste des Clans, für einen Schönheitswettbewerb trainiert. Mit ihren übergroßen Brillengläsern entspricht sie zwar keinem gängigen Ideal, aber ihr Optimismus ist schier grenzenlos.

Er entspringt der Ideenwelt ihres Vaters Richard (Greg Kinnear), der die Welt in Verlierer und Gewinner unterteilt - und seinen Nächsten nicht aufhört einzutrichtern, dass es ein jeder zu etwas bringen kann, solange die Einstellung stimmt. Mutter Sheryl (Toni Collette) hält diesem Idealismus die leere Familienkasse entgegen.

Little Miss Sunshine, inszeniert von Jonathan Dayton und Valerie Faris, ist in vieler Hinsicht eine typische US-Indie-Komödie: Die Figuren haben ihre Schrullen, aber keine von ihnen weicht empfindlich von der Norm ab - das hält den Feel-good-Faktor hoch. Von vergleichbaren Unternehmungen unterscheidet sich der Film allerdings darin, dass er seinen Schwerpunkt auf die Themen Effizienz- und Erfolgswahn verlegt: Da es sich jeder selbst beweisen muss, kennt er den anderen kaum.

Gemeinsame Stärken

Der Motor der Erzählung ist gut geölt. Alle Hoovers brechen in einem gelben VW-Bus nach Kalifornien auf, wo die titelgebende Schönheitskönigin, Olives erklärtes Ziel, gekürt werden wird. Als Roadmovie quer durch den Südwesten, in dem es weniger äußere als innerfamiliäre Hindernisse zu meistern gilt, folgt der Film einer Bewegung der Transformation: Unterwegs entdeckt man Stärken, die eben nicht in individueller Verantwortung liegen, sondern in der Gemeinsamkeit.

Dayton und Faris, die bisher vor allem Musikvideos realisiert haben, setzen in ihrem Debüt auf die Stärken einer ausnahmslos beherzt agierenden Schauspielerriege. Deren Spielfreude entschuldigt die mitunter schematische Abfolge von komischen Standards (etwa die berühmte Leiche im Kofferraum). Oder die etwas uninspirierten erzählerischen Wiederholungen, wenn jedes Familienmitglied auf dem Weg seine ganz persönliche Niederlage einstecken muss.

Als Glücksfall darf dagegen die Auflösung von Little Miss Sunshine bezeichnet werden, die sich wohl niemand auszumalen vermag. Wie Olive und ihr familiärer Support inmitten einer Ansammlung von gespenstisch gestylten kleinen Mädchen bestehen, das erzählt ganz ohne moralische Vehemenz davon, dass man manche Träume getrost vergessen kann. (Dominik Kamalzadeh /DER STANDARD, Printausgabe, 2./3.12.2006)