"Mit offenen Augen durch die Welt gehen." - Mercedes-Designchef Peter Pfeiffer

foto: der standard/stockinger

Mercedes Ocean Drive - Neuer Repräsentant der Mercedes-Markenwerte.

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Standard: Sie zelebrieren in Detroit die Renaissance des Mercedes-Traumcabrios. Warum sieht das so aus, wie es aussieht? Wäre das Auto auch als Maybach vorstellbar? Und vor allem: Wann wäre ein Marktstart denkbar?

Pfeiffer: Die Antwort auf die letzte Frage wüsste ich selbst gern. Zum Aussehen: Wir hatten in den vergangenen Jahren eine intensive Diskussion über Markenwerte. Und sind draufgekommen, dass Design eindeutig einer der Kernwerte ist. Konzernchef Dieter Zetsche gab uns dann den Auftrag: Baut mir ein solches Statement. Man kann dieses Traumcabriolet also als Beitrag zu dieser Debatte sehen.

Standard: Am Beispiel Ocean Drive: Mercedes einst, heute und in Zukunft - wie viel Historie darf sein, wie viel muss?

Pfeiffer: Es geht in erster Linie um den schöpferischen Umgang mit dem Genpool der Marke. Exklusive Cabrios spielten in der Geschichte unseres Unternehmens immer eine besondere Rolle. Die Historie schwingt in der Formensprache sanft mit, gleichzeitig weist der Ocean Drive aber deutlich in die Mercedes-Zukunft. Logische Linien, steiler, dreidimensionalerer Kühlergrill - das alles wird man in Zukunft in vielen Mercedes-Typen wiederfinden. Auch das Thema Zweifarbigkeit ist ein historischer Anklang.

Standard: Wie viel Kanten und Sicken verträgt das Blech, verträgt der Konsument?

Pfeiffer: Wir beschränken uns, auch beim Ocean Drive, auf eine markante Seitenlinie. Sonst geht es außen eher puristisch zu, mit ruhigen, logischen Flächen und einem sanften Spiel konvexer und konkaver Formen und den daraus resultierenden Licht-Schatten-Effekten. Im Interieur setzt sich das logisch und harmonisch fort, es darf da aber auch opulent zugehen, Wohlfühlen ist erwünscht.

Standard: Zu den Interieurmaterialien: Wohin geht der Weg? Zurück zur Natur? Technische Werkstoffe? Eine Kombination?

Pfeiffer: Sie werden künftig mehr aus der Welt der Textilien und Stoffe finden. Leder ist als Thema irgendwann erschöpft.

Standard: Wie wirken sich neue Technologien und Vorschriften - z. B.: Fußgängerschutz - auf die Formgebung aus? Anders gefragt: Hat sich das Verhältnis zwischen Zwängen und Freiheiten für Designer nicht dramatisch verschoben?

Pfeiffer: Trotz manchmaliger Skepsis: Sieht man Herausforderungen als Chance, neue Wege zu gehen, hat man schon gewonnen. Ich meine also: Die Freiheiten sind so groß wie eh und je. Im Übrigen: Technik und Design war bei Mercedes schon immer ein Teamplay. Und ich kann mich ja nicht hinstellen und sagen: Das Auto sieht so aus, weil's der Fußgängerschutz so wollte. Sondern: Das Auto hat ein unverkennbares Design, und es erfüllt auch die Vorgaben des Fußgängerschutzes.

Standard: Wo holt sich der Autodesigner heutzutage seine Inspirationen?

Pfeiffer: Wichtig sind Architektur und das gesamte kreative Umfeld: Malerei, Bildhauerei. Ein Designer muss aber überhaupt mit offenen Augen durch die Welt gehen. Deshalb unterhalten wir Designstudios in aller Welt. Tokio zum Beispiel, wohl die pulsierendste Stadt der Welt: Da kommen enorm viele Anregungen her.

Standard: Mit dem CLS hatten Sie Ende 2003 die ganze Autowelt überrascht. Positiv. Wann kommt die nächste dieser Art?

Pfeiffer: Ich werde mich bemühen, auch in Zukunft für Überraschungen positiver Art zu sorgen.

Standard: Zuletzt eine persönliche Frage: Wie viel Prozent seiner Arbeitszeit kann der Mercedes-Designchef als Designer nützen, wie viel geht drauf für andere Aufgaben?

Pfeiffer: Ich versuche, so viel wie möglich als Designer zu arbeiten - und habe deshalb einen ganz schlechten Ruf. Jeden Morgen um 7.30 Uhr habe ich Besprechung mit meinen Mitarbeitern. Wir halten das mittlerweile aber so, dass nicht jeder jeden Morgen dabei sein muss. Design ist mein Leben! (Andreas Stockinger, AUTOMOBIL, 12.1.2007)