derStandard.at: Sie sind derzeit in Dili, der Hauptstadt von Timor Leste und ihrem Geburtsort. Wie ist dort die Situation? Bemerken Sie etwas von der politisch instabilen Lage, in der sich das Land derzeit befindet?
Pires: Die aktuelle Lage in Dili kann als instabil, aber ruhig bezeichnet werden. Sogenannte "Martial Arts Groups", also dem Kampfsport zuzurechnende Gruppierungen, liefern sich täglich Straßenkämpfe. Leider werden nicht nur Timoresen, sondern auch internationale Vertreter in diese Auseinandersetzungen hineingezogen. Die Polizeieinheiten der Vereinten Nationen und die Internationalen militärischen Stabilisierungskräfte haben die Lage jedoch unter Kontrolle. Traurig stimmt mich die Existenz von zahlreichen sogenannten "IDP camps", also Lagern mit im eigenen Land vertriebenen Menschen. Allein in Dili wird die Zahl auf 30.000 geschätzt.
derStandard.at: Sie sind als Kind mit Ihrer Familie nach Portugal gezogen. Wie intensiv beobachten sie die politischen Vorgänge in Osttimor?
Pires: Ich möchte festhalten, dass die offizielle Landesbezeichnung Timor-Leste lautet. Natürlich beobachte ich sehr genau, was in diesem Land vor sich geht. Meine Mutter und meine Großmutter sind Timoresinnen, die eine sehr starke Bindung zum Land bewahrt haben. In den letzten Jahren ist hier sehr viel passiert. Timor-Leste wurde erst 2002 unabhängig und ist somit das zweitjüngste Land der Welt.
Ich vergleiche diese Situation gerne mit einem ungestümen Jugendlichen, der gerade lernt, mit seiner Freiheit umzugehen. Er hat Feuer, Kampfeswille, und Energie. Er glaubt, schon alles zu wissen und zu können. Aber, um bei der Metapher zu bleiben, Timor-Leste braucht Eltern, die das Land in die richtige Richtung dirigieren können. Diese "Elternfunktion" wird derzeit noch von der internationalen Gemeinschaft wahrgenommen.
derStandard.at: Noch ist es sehr turbulent im Land. Nach den umfangreichen Unruhen 2006 und der turbulenten Zeit nach der Ernennung von Xanana Gusmao zum Premierminister im August hat sich die Lage nur bedingt beruhigt. Wie lange wird Timor-Leste noch auf "Eltern" angewiesen sein?
Pires: Die derzeit vorherrschende Instabilität wird sicher noch länger andauern. Ein Abzug der internationalen Gemeinschaft darf auf gar keinen Fall zu früh eingeleitet werden. Die Betätigungsbereiche sind vielfältig: Aufbau einer funktionierenden Infrastruktur, Unterstützung im Bildungswesen und Stärkung der staatlichen Einrichtungen. Die Voraussetzungen für eine positive ökonomische Entwicklung von Timor-Leste sind gegeben. Das Land besitzt ein wertvolle Kombination aus Naturressourcen und geographischen Besonderheiten.
derStandard.at: Dennoch sind 50 Prozent der Timoresen arbeitslos. Sie haben Premierminister Gusmao getroffen. Welche Rezepte hat er?
Pires: Der Premierminister sieht sich einer großen und schwierigen Aufgabe gegenüber. Dennoch habe ich den Eindruck gewonnen, dass Timor-Leste mit dieser neuen und jungen Regierung einen nächsten Anlauf in Richtung Normalisierung unternimmt. Das Schwergewicht meiner Unterhaltung mit ihm lag jedoch im privaten und musikalischen Bereich.
derStandard.at: Wie geht der Premierminister mit der Tatsache um, dass es nach seiner Ernennung zu Unruhen und Protesten gegen ihn kam?
Pires: Von den Sicherheitsexperten vor Ort wurde mir erklärt, dass sich die gewaltätigen Auseinandersetzungen als Folge der Regierungsbildung im Rahmen gehalten haben. Nach der anfänglichen Enttäuschung über den Verlust der Wahlen hat die Oppositionspartei nun begonnen, in ihrer neuen Rolle aktiv zu werden. Dies ist ein sehr positives Zeichen für die Zukunft.
derStandard.at: Wie werden Ihre Konzerte in Timor-Leste aufgenommen?
Pires: Am 28. September hat das erste Konzert im Stadion von Dili stattgefunden. Nachdem ich diese Konzerttour den Menschen von Timor-Leste widmen, wurde kein Eintritt verlangt. Ersten Schätzungen zufolge waren bis zu 3000 Menschen im Stadion. Das Konzert war das erste musikalische Großereignis seit den Unruhen im April 2006.
Am 29. September spielte ich ein Fundraising Konzert in Dili. Das Konzert erspielte an diesem Abend 4.590 US-Dollar die am Ende durch mich und den Hauptorganisator der Konzerttour, Peter Trost, an die Direktorin des Waisenhauses in Becora übergeben wurden.