Das Gutachten zum Todesfall nach einer HPV-Impfung brachte ein Nullergebnis. Gerichtsmediziner Johann Missliwetz wehrt sich gegen Vorwürfe, er habe die Ergebnisse verschleppt. Im Gespräch mit Bert Ehgartner kritisiert er die Vorgangsweise bei unklaren Todesfällen.

STANDARD: Sie wurden von mehreren Seiten kritisiert, weil es so lange gedauert hat, bis Ihr Gutachten fertig war. Woran lag diese Verzögerung?

Missliwetz: Der erste Zeitverlust entstand Mitte Oktober durch die Erst-obduktion im SMZ-Ost, bei der nicht viel mehr gemacht wurde, als die Leiche zu öffnen. Dann erst wurde Anzeige erstattet und eine gerichtsmedizinische Obduktion angeordnet. Es dauert also etwa drei Tage bis zwei Wochen bis wir überhaupt aktiv werden können. Ich prüfte schließlich den Verdacht auf Suchtgift oder Alkoholmissbrauch. Das dauert auch seine Zeit, bis hier eine komplette Analyse fertig ist. Das verlief negativ.

STANDARD: Wie kamen Sie dann auf eine mögliche Beteiligung der HPV-Impfung?

Missliwetz: Durch den Kontakt mit den Eltern. Ich klärte sie über die Todesart auf, konnte aber keinerlei Ursache für die Atemlähmung im Schlaf finden. Weder eine Infektion noch irgendeinen Hinweis auf einen Organdefekt. Da erwähnte der Vater die drei Wochen zurückliegende Impfung. Daraufhin habe ich behördliche Anzeige erstattet, weil ich von Gesetzes wegen bei einer möglichen Arzneimittelnebenwirkung meldepflichtig bin.

STANDARD: Wie waren denn die Reaktionen darauf?

Missliwetz: In der Folge lief der Interessenzug richtig an. Ich wurde oft von Herren angerufen, die mir ihre Meinung sagten, dass die Impfung Leben rettet und keinesfalls damit in Zusammenhang stehen kann. Ich entgegnete stets, dass ich nicht fertig sei und noch nichts sagen könne.

STANDARD: Wie prüft man denn, ob eine Impfung die Ursache sein kann?

Missliwetz: Bei Impfungen gibt es zwei Möglichkeiten einer immunologischen Fehlreaktion. Die eine passiert sofort, etwa im Rahmen eines allergischen Schocks. Das war hier ausgeschlossen. Die zweite läuft langsamer ab. Wenn mir die Karten gleich auf den Tisch gelegt worden wären, hätte ich mehr Gewebe aufgehoben. Aber von der Impfung stand nichts im Gerichtsakt. Das ist unsere einzige Informationsquelle. Auch Liquor (Anm: Gehirn- und Rückenmarksflüssigkeit) hätte gleich entnommen werden müssen, weil es sich sonst verändert.

STANDARD: Sie konnten also im Dezember, sechs Wochen nach dem Tod der 19-Jährigen, viele wesentliche Untersuchungen nicht mehr machen?

Missliwetz: Es war natürlich ein enormer Nachteil, dass ich diesen Zusammenhang erst so spät erfahren habe. Das Blut verändert sich, auch wenn es gut gelagert ist. Die Blutprobe, die ich hatte, war nicht mehr verwertbar. Im Darm fanden sich keine Hinweise auf Infektionen. Auch das Gehirn sah aus wie jedes andere.

STANDARD: Kann denn ein Broncho- spasmus, wie er auch als sehr seltene Nebenwirkung im Beipacktext des Impfstoffs angeführt wird, eine Atemlähmung auslösen?

Missliwetz: Theoretisch schon. Das geht in die Richtung jener langsam ablaufenden Immunreaktionen, die nach Impfungen möglich sind. Die Lunge wäre dabei überbläht. Das konnte ich aber nicht mehr prüfen, weil die Lunge nach der Erstbefundung schon zusammengefallen war. Im Erstbefund stand kein Hinweis darauf. Ich fand aber Schleim in der Lunge, was wiederum dafür spricht.

STANDARD: Unklare Todesfälle sollten also rascher obduziert werden?

Missliwetz: Ja, der Trend geht aber in die Gegenrichtung. Es gibt insgesamt immer weniger Obduktionen. Die ideale Situation gibt es praktisch nur, wenn Mordverdacht besteht. Dann kommt der Gerichtsmediziner meist noch am selben Tag zum Einsatz.

STANDARD: Nun werden an Ihrem Institut seit Jahresbeginn überhaupt keine Obduktionen mehr vorgenommen. Woran liegt das?

Missliwetz: Ich bin nicht befugt, mich hier zu äußern oder Kritik zu üben, deshalb möchte ich einen Wunsch ans Christkind formulieren: Ich wünsche mir, dass es wieder eine Gerichtsmedizin am Institut für Gerichtsmedizin gibt.

STANDARD: Sie haben selbst eine 20-jährige Tochter. Würden Sie ihr derzeit zur Impfung raten.

Missliwetz: Meine Aufgabe ist es nicht, ein öffentliches Urteil darüber abzugeben. Aber meiner Tochter habe ich schon geraten, dass sie es besser bleiben lassen soll. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 19./20.1.2008)