Hier geht's zu den Tide-Pools - über Stock und über Stein.

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Foto: Mirjam Harmtodt
Um den höchsten Berg der Niederlande zu erklimmen, bedarf es fester Schuhe und einer guten Portion Fitness. 1.064 Stufen bei fast 30°C und hoher Luftfeuchtigkeit sind schweißtreibend und alles andere als schonend für die Gelenke. 877 Meter hoch ist der Berg und damit von England und Frankreich aus gut sichtbar. Kaum vorstellbar und doch ist es wahr.

Die kleinste ihrer Art

Neun Flugstunden von Amsterdam entfernt liegt dieser Berg – und zwar auf Saba, einer der Niederländischen Antilleninseln, im karibischen Meer. Sie ist mit nur 13 Quadratkilometern die kleinste der fünf Eilande (Curaçao, Bonaire, Sint Eustatius, Sint Maarten und Saba*), mit dem Mount Scenery aber auch die höchste. Der „Felshaufen im Meer“, wie die Einheimischen Saba gerne nennen, ist von den Nachbarinseln aus gut zu erkennen. Etwa von Saint Martin, der französischen Hälfte der zweigeteilten Insel Sankt Martin. Der niederländische Teil nennt sich Sint Maarten und liegt im Süden. Auch von Anguilla aus ist Saba bei schönem Wetter gut erkennbar. Anguilla ist Britisches Überseegebiet und nur etwa zwei Bootsstunden von Saba entfernt.

Wo es rauf geht, geht's auch runter

Aber eigentlich ist Saba nicht wegen seiner Rekordhöhe ein begehrtes Touristenziel sondern das genaue Gegenteil lockt jährlich rund 25.000 Besucher an. Sie ist eine der spektakulärsten Tauchdestinationen der Welt. Der vulkanische Ursprung der Insel offenbart sich nicht nur in den scharfkantigen Felsen über dem Wasser, sondern auch in der dramatischen Unterwasserlandschaft. Dabei wurde die Insel erst 1981 als Tauchgebiet entdeckt, als zwei amerikanische Geschäftsmänner Sauerstoffflaschen nach Saba brachten. 1987 wurde dann ein Marine-Park gegründet, der die Nutzung durch Taucher regelt und strenge Auflagen zum Schutz der Tier- und Pflanzenwelt am Riff beinhaltet. Der Park erstreckt sich rund um die gesamte Insel bis in eine Tiefe von 60 Metern.

Treffpunkt für Taucher und Sänger

Drei Tauchschulen bieten Tauchgänge an, darunter das „Saba Divers“ im „Scout`s Place Dive-Hotel“. Unter der Führung des deutschen Ehepaars Barbara und Wolfgang hat das Hotel schon einige Preisen erhalten. Die Tauchschule "Saba Divers" wurde dreimal von der Tauchzeitschrift „Tauchen“ (tauchen.de) als eine der „Besten Tauchbasen in der Karibik“ ausgezeichnet. Barbara und Wolfgang haben das Scout’s Place vor acht Jahren gekauft, als der Zustand der Anlage aufgrund des Hurrikanes George, der 1998 in der Karibik wütete, katastrophal war.

„Die Dächer waren zerstört, Fenster kaputt und über der Bar war eine Plastikplane gespannt, damit die Leute auch bei Regen ihr Bier trinken konnten“, erinnert sich Wolfgang und scheint selber überrascht, dass das Hotel nach jahrelanger Arbeit heute wieder eines der besten auf der Insel ist. „Es ist noch lange nicht fertig“, sagt Bettina. „Ständig fallen mir irgendwelche Dinge auf und dann machen wir Pläne für Verbesserungen, Erweiterungen oder Verschönerungen.“ Heute ist das Scout’s Place nicht nur Unterkunft für Touristen, sondern auch Treffpunkt für Einheimische. Vor allem am Freitag versammeln sich hier mehr oder weniger begabte SängerInnen beim wöchentlichen „Sabaoke“, um ihr Sangestalent dem anwesenden Publikum vorzuführen.

Die Vulkaninsel als verkehrstechnischer Spätzünder

Rund 1.500 Menschen leben in Saba. Viele davon kommen aus den Niederlanden und haben hier ein neues Zuhause gefunden. Die ersten Siedler waren Arawak, die vor etwa 1.300 Jahren ihre Spure hinterließen. Christopher Kolumbus hat die Insel auf seiner zweiten Reise nach Westen am 13. November 1493 entdeckt. Bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts blieb die Insel unbewohnt und erst die Holländer errichteten 1640 eine Siedlung. Noch bis 1940 gab zwischen den Dörfern nur Fußwege. Heute ist Saba motorisiert und auch die Raserei hat auf der Insel Einzug gehalten, was angesichts der engen Straßen für Fußgänger sehr unangenehm werden kann.

Der vulkanische Ursprung Sabas offenbart sich in den Tide-Pools (Gezeiten-Becken). Hier floss heiße Lava aus dem inzwischen verschwundenen Krater ins Meer und hinterließ bizarre Felsgebilde mit schroffen Zacken. Steinskulpturen ragen meterhoch in den Himmel, an ihrer Oberfläche finden sich seltsame Details, die die Phantasie anregen. Einige davon sehen aus wie Tiere, andere erinnern an Eier oder an andere organische Strukturen. Die Felsen sind rau und spitz und gute Schuhe sind unbedingt von Nöten, um Verletzungen vorzubeugen. Inmitten dieses Lavafelsendoms liegen die Tide-Pools. Kleine Becken, die durch die Wellen des Ozeans mit Frischwasser versorgt werden und durch ihre geschützte Lage eine optimale Kinderstube für Fische, Schnecken, Seeigeln und andere Tiere darstellen. Auf dem kargen Boden wachsen Kakteen, die beeindruckende Größen erreichen können.

Wasser ist besonders kostbar

Völlig anders zeigt sich die Insel in den von Regenwäldern bewachsenen Gebieten. Hier gedeihen Pflanzen, die in europäischen Wohnzimmern vor sich hinkümmern, und entwickeln sich zu wahren Giganten. Der Boden ist feucht und in den Bäumen finden Tag und Nacht vielstimmige Konzerte statt. Am Abend huschen Fledermäuse durch die Dämmerung und Baumfrösche rufen mit ihren zarten Stimmen die kommende Nacht. Trotz des immer feuchten Regenwaldes gibt es in Saba kein Frischwasser. Jedes Haus ist mit einer Zisterne ausgestattet, in der Regenwasser gesammelt wird. Der sparsame Umgang mit dem kostbaren Rohstoff ist selbstverständlich, denn eine Wasserlieferung ist teuer.

400 Meter bis zum Abgrund

Saba ist mit dem Boot oder mit dem Flugzeug von Saint Maarten aus erreichbar. Allein die Landung auf dem Flughafen ist Grund genug, die Insel zu besuchen. Die Twin-Otter von Winair fliegt täglich zum „Juancho E. Yrausquin Airport“ (SAB), dessen Rollbahn mit 400 Metern zu einer der kürzesten der Welt gehört. Abenteuerlich ist es im Flieger zu sitzen und fast genauso aufregend, den Propellerflugzeugen bei Start und Landung zuzusehen. Und wenn kein Taxi am Airport wartet, findet sich immer jemand, der ein Plätzchen im Auto frei hat, damit man die steilen Straßen Sabas nicht zu Fuß gehen muss. (Mirjam Harmtodt/derStandard.at) >>> Zur Ansichtssache.