Am 27. September wird im Museum Stein in Krems die Installation Im neunten Himmel von Sylvia Eckermann, Gerald Nestler und Peter Szely eröffnet. BesucherInnen können in dieser permanenten Rauminstallation in die Lebensgeschichte des Jesuiten Andreas Koffler (1603–1651) eintauchen und mittels 3D-Umgebung in das 17. Jahrhundert zwischen Europa und China reisen. Text, Bilder und Sounds begleiten UserInnen auf ihrem Weg durch das architektonische und ästhetische Erbe der ehemaligen Handelsstadt Stein, deren historische Bedeutung im neu eröffneten Museum beleuchtet werden soll.

Im neunten Himmel basiert auf einem 3D-Echtzeitsystem, das im virtuellen Raum durch die Geschichte Europas und Chinas führt und den Dialog zwischen den beiden Kulturen, der durch Jesuiten begonnen wurde, in der Gegenwart fortsetzt. Wie die BesucherInnen des Museums Stein ihren eigenen "Reflexionsraum" erschaffen können, erzählen Sylvia Eckermann und Gerald Nestler:

screenshots: Sylvia Eckermann

derStandard.at: Wer war Andreas Koffler und warum habt ihr gerade seine Geschichte in dieser 3D-Umgebung aufbereitet?

Sylvia Eckermann: Das Museum Stein hat für den Aufbau seiner Sammlung ein sehr schönes Konzept, auf das wir uns gerne einließen: Jedes Jahr soll eine andere KünstlerIn eingeladen werden, sich mit dem Ort Stein und seiner Geschichte und Begriffen wie "Peripherie" und "Zentrum" zu beschäftigen. Kontinuierlich werden sich die Räumlichkeiten des Museums auf diese Weise mit Werken füllen.

Bei unserer Recherchearbeit stießen wird auf den Jesuitenpater Koffler, der Stein 1638 verließ, um sich der Chinamission anzuschließen. Er sollte Europa nie wieder betreten, da er 1651 in China ermordet wurde. Seine Geschichte bewog uns, einen genaueren Blick auf die Jesuiten der Chinamission des frühen 17. Jahrhunderts zu werfen und es tat sich für uns eine höchst interessante Welt auf. Es gab zu dieser Zeit einen unglaublich intensiven Austausch zwischen Europa und China, und das auf höchstem Niveau und aus gutem Grund: Die Jesuiten fanden bald heraus, dass der einzige Weg, in China Einfluss zu gewinnen, über die Weitergabe neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse lief - und das bringt uns wieder zurück in die Gegenwart...

Gerald Nestler: Die Themen "Peripherie" und "Zentrum" lösen sich bei Im neunten Himmel auf - und zwar heute genauso wie damals. Es stehen sich zwei Zentren gegenüber - Europa und China - deren Peripherie die Wahrnehmung des jeweils anderen bedeutet. Ein herausragendes Beispiel für eine Art Grenzüberschreitung ist Leibniz, der sich intensiv für eine Vernetzung der beiden Kulturen aussprach, und der damit heute wieder aktuell ist. Nicht nur für die Zeit Kofflers bedeutet dies, dass bestimmte Selbstreflexions- und Wahrnehmungsmechanismen adaptiert werden müssen - Innerhalb von internen Problemen, Kriegen und Krisen malträtierten Gesellschaften. Kofflers Zeit ist ja die des 30-jährigen Krieges und der Hexenverbrennungen in Europa, bzw. des Dynastiewechsels von Ming zu Qing in China. Im neunten Himmel spielt zwar zwischen ca. 1610 und 1710, die Reflexionsebene spiegelt aber unsere heutige Zeit und ihre Kommunikation wider. Die Gegenwart ist also die virtuelle, zeitliche Peripherie des zentralen Projekts.

screenshots: Sylvia Eckermann

derStandard.at: Was bedeutet es für euch als Medienkünstler mit klassischen kultur- und kunsthistorischen Themen zu arbeiten?

Eckermann: Jede künstlerische Arbeit und somit die inhaltliche Auseinandersetzung mit einem spezifischen Kontext entführt geradezu in ein Universum des Neuen, das es zu entdecken gilt. Man stöbert, findet, sammelt, ordnet und verwirft auf der Suche nach einer Kernaussage - nach einer formalen Beschränkung, deren selbst gewählte Grenzen ein sinnvolles Ganzes umgibt. Die Arbeitsmethode von MedienkünstlerInnen unterscheidet sich im Wesentlichen wohl kaum von der anderer Künstler.

Nestler: Wir versuchen, über kunsthistorische Aspekte hinauszugehen, das Thema in einem größeren Kontext zu sehen. Jedes Thema hat ja unterschiedliche Facetten. Jene, die wir heute wieder nachvollziehen können, die uns zeigen, dass Gegenwart und Geschichte Verbindungen aufweisen und dass man sich darauf beziehen kann, scheinen uns in diesem Zusammenhang am Interessantesten.

screenshots: Sylvia Eckermann

derStandard.at: Was hat der Titel Im neunten Himmel mit der Geschichte der Stadt Stein zu tun?

Eckermann: Wir haben nach einem poetischen Titel gesucht, denn die Arbeit ist auch als solche angelegt. Der Titel Im neunten Himmel reflektiert auch, dass gerade die Astronomie eine der Wissenschaften war, in der die Europäer den Chinesen voraus waren. Die Jesuiten trugen einen wesentlichen Teil zur Reformierung des chinesischen Kalenders bei. Und die Zahl 9 steht in China für das höchste Glück - sie ist "die himmlische Zahl".

Nestler: Das eigentliche Anliegen der Jesuiten - wie aller Missionare - war, den "Heiden den Himmel in Form des Christentums" zu bringen. Stein steht für uns ja für den mentalen Kontinent Europa. Es ist sehr spannend zu sehen, wie wissenschaftliche Methode und empirische Erkenntnis sich mit einem strengen Glauben treffen... wie das europäische, christlich geprägte Geistesleben sich entwickelt. Gerade die Jesuiten der Chinamission mit ihren wissenschaftlichen Kenntnissen und Forschungsmethoden scheinen uns ein gutes Studienobjekt zu sein - vor allem hinsichtlich einer aufgeklärteren Form des Denkens, die das darauf folgende Jahrhundert kennzeichnete.

screenshots: Sylvia Eckermann

derStandard.at: Eigenen sich 3D-Umgebungen und die multimediale Mischung eurer Arbeit besonders für eine Art der Wissensvermittlung?

Eckermann: Interaktive 3D-Umgebungen bieten vollkommen andere Möglichkeiten der Vermittlung. Sie können durch ihre spielerische Leichtigkeit verführen, Verknüpfungen konstruieren, wie es etwa bei einem Museumsrundgang niemals möglich wäre. Man kann Objekte zeigen, die zu fragil sind, um real gezeigt zu werden. Man kann Aspekte einer Sammlung bearbeiten, die zwar von großem Interesse, aber für eine Ausstellung dann doch ungeeignet sind. Durch die Gleichzeitigkeit und Verbindung von Bewegung, Raum, Bild, Klang, Sprache, Text können auf eine sehr assoziative Weise Inhalte vermittelt werden. Es ist ein neues Feld, in dem das Experiment noch stattfindet und sowohl auf der Seite der Produzenten als auf der Auftraggeberseite noch viel zu lernen ist. Die Erstellung interaktiver virtueller Wissensräume im Kunstkontext ist eine spannende Herausforderung.

Nestler: Ein anderer, wichtiger Aspekt ist, dass solche interaktiven Installationen partizipativ sind. Sie hängen nicht einfach an der Wand oder stehen im Raum. Sie sind in dem Sinne intelligent, als sie der BesucherIn ein Tool in die Hand geben, mit dem er/sie dann selbst agieren kann. Das ist manchen Kunstinstitutionen noch ein wenig fremd, da sie ja daran gewöhnt sind, nichts anzugreifen. Dieser kommunikativ-haptische Aspekt ist sehr wichtig.

screenshots: Sylvia Eckermann

derStandard.at: Welchen Mehrwert hat die viel besagte Schnittstelle zwischen Kunst und Technik für den/die BetrachterIn?

Eckermann: Ich mache Kunst und meine "Technik" ist nicht das Aquarellieren, sondern die digitale Erzeugung von Bild, Bewegung und Raum, inszeniert in einer eigens dafür entworfenen Architektur. Das Medium selbst steht nicht im Vordergrund und ist nicht allein inhaltsstiftend. Wie alle Kunstwerke werden auch meine Arbeiten in den öffentlichen Kunstdiskurs gestellt und können sich dort behaupten oder auch nicht. Ich denke es ist an der Zeit, digitale Arbeiten genauso zu betrachten wie andere Werke auch. Kunst und Technik sind und waren immer verbunden.

Nestler: Wenn Technik nicht nur etwas ist, das für einen etwas tut, sondern womit man selbst etwas machen kann, dann ist der Mehrwert eigentlich offensichtlich und zwar in jeder Hinsicht - nicht nur künstlerisch.

screenshots: Sylvia Eckermann

derStandard.at: Woran arbeitet ihr gerade?

Eckermann/Nestler: Gemeinsam werden wir im Oktober unser dritte mehrmonatige Chinareise antreten. Wir haben ein Stipendium und sind außerdem zu einer Ausstellung in Peking eingeladen. In kurzen Worten, wir nehmen gerade Interviews mit Kunst- und Kulturschaffenden auf, die wir mitnehmen werden. In China treffen wir Leute, die ebenfalls im Kulturbereich arbeiten oder Künstler sind und die wir einladen, auf diese Interviews zu reagieren. Die Themen sind Fortschritt, Veränderung und Utopie. Es geht uns um die Herausarbeitung kultureller Gegensätze und Gemeinsamkeiten, um eine Art Studie unserer "Kommunikationsfähigkeit".

In der Ausstellung zeigen wir dieses Material innerhalb einer Rauminstallation, die ein eigens konstruierter Luftraum mit erhöhtem Sauerstoffgehalt ist. Die Materialien der Show sind somit beide unsichtbar und gleichzeitig unverzichtbar: Gedanken und Luft.

(fair, derStandard.at, 22.09.2008)

Links
Museum Stein
Sylvia Eckermann
Gerald Nestler
Peter Szely

screenshots: Sylvia Eckermann