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Capri aus der Luft ...

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... und vom Wasser aus.

Grafik: DER STANDARD

Was übrig bleibt, ist die Zitronenmarmelade. Und auch von der bleiben bald nur einzelne Spuren im Einmachglas, die noch mit dem Finger herausgenascht werden.

Die am Golf von Neapel gelegene Stadt Sorrent ist ein strategisch günstiger Ausgangspunkt um die Sehenswürdigkeiten Amalfiküste, Capri oder Pompei zu erreichen. Sie ist berühmt für ihre Zitrusfrüchte. Manche Zitronen in dieser Region sind - angeblich natürlich und ohne Gift gewachsen - so groß wie Zuckermelonen. Die Schale ist essbar, wie die Standlerin auf einem kleinen Parkplatz an der Straße entlang der Costiera Amalfitana, der Amalfiküste, mit Kopfnicken versichert. Die Touristen, die auf der ansonsten engen Küstenstraße auf einem kleinen Parkplatz Halt machen, um die Aussicht über das tiefblaue Meer und die schroffen Felsen zu genießen, bekommen Zitronenscheiben in die Hand gedrückt, auf dass sie nach dem appetitanregenden Häppchen ordentlich einkaufen mögen. Viele aber lassen sich die süßliche, leicht bittere Schale schmecken, steigen schnell in den Bus, der brausend davonfährt. Schließlich drängt schon der nächste Tross auf die Aussichtsplattform.

Die Amalfiküste vom örtlichen Bus aus zu erleben ist sinnvoll - vor allem im Sommer. Denn auf der engen Straße schieben sich zur Hochsaison tausende Autos von Sorrent über Positano nach Amalfi und zurück.

Doch nicht nur die Amalfitaner haben die Zitronen für sich gepachtet: Auch die Capresen buhlen auf ihrer berühmten kleinen Insel, die über Fruchtsaft bis zu Hosen für so manches Produkt den Namen hergegeben hat, um die Gunst der Besucher. In den Städten Capri und Anacapri stehen an fast jeder Ecke Frauen oder Männer entweder mit Duftfläschchen oder mit weißen Becherchen herum. In dem einen Fall wollen sie einen mit Zitronenduft einsprühen, im anderen Fall mit einer anderen Alkohol-ZitronenMischung abfüllen: dem Zitronenlikör Limoncello. Und so verschwinden in den Bonbongeschäften, in denen das hellgelbe, dickflüssige und wohlschmeckende Getränk verkauft wird, nicht nur die Likörflaschen in den Rucksäcken der Touristen, sondern auch allerlei Pralinenschachteln. Bemerkenswert ist, dass die Geschäfte schlicht und elegant eingerichtet sind. Die Wände sind nicht mit Zitronen und Schnickschnack überladen. Alles ist hübsch, duftet gut und hinterlässt einen passablen Eindruck. Wie man Limoncello in Eigenregie macht, ist auf Capri auch kein Staatsgeheimnis. Unbehandelte Zitronen gibt es hier zuhauf. "Also schält man von ein paar Kilo Früchten die Schale wie Kartoffeln", sagt der Reiseführer mit dem sprechenden Namen Mario Parlato "und legt sie in Alkohol ein, 95-prozentigen - gibt es in der Apotheke - und lässt das Ganze sieben bis 15 Tage ziehen." Extra sei ein Zucker-Wasser-Gemisch im Verhältnis 700 Gramm zu einem Liter zu brauen und mit dem mittlerweile abgeseihten Alkohol zu vermischen. "Der Richtwert ist 30 Prozent Alkoholgehalt", sagt Parlato.

Derart angeheitert zückt sich auch die Kreditkarte leichter. Man soll nicht glauben, dass es auf der Prestigeinsel billig ist - müßig zu erwähnen, wer dort aller, der sich zur nationalen und internationalen Schickeria zählt, eine Villa hat oder in den Fünf-Sterne-Häusern urlaubt. Doch die Schönen und Reichen lassen sich tagsüber nicht blicken. Da gehört die Insel ganz den Touristen. Erst wenn die letzte Fähre um 19 Uhr die Marina Grande mit den Tagesausflüglern Richtung Festland verlässt, nehmen die Betuchten ihre angestammten Plätze in den schicken Lokalen ein.

Abgesehen von den vielen Designergeschäften - sogar dem unbedarften Flaneur fällt auf, dass es auf Capri allein drei Geschäfte von Miuccia Prada gibt - und gepflegten Straßen deutet aber nichts darauf hin, dass sich der Durchschnittsitaliener keine Nacht auf der Insel leisten kann.

Doch schon vor dem Boom der letzten 50 Jahre galt die Insel als Hotspot. Die Industriellenfamilie Krupp beispielsweise war dort richtig gönnerhaft, wovon heute noch die Via Krupp, eine in den steilen Fels gebaute Serpentinenstraße, zeugt. Der Stahlmagnat Friedrich Alfred Krupp wurde 1902 sogar Ehrenbürger des Eilands.

Auch der Arzt und Schriftsteller Axel Munthe genießt hohes Ansehen. Er ließ Ende des 19. Jahrhunderts in Anacapri die Villa San Michele errichten und verschrieb sich auch dem Vogelschutz auf der Insel. Heute ist die Villa ein Museum und wird mindestens so oft besucht wie die legendäre blaue Grotte, die nur mit dem Boot erreichbar ist. Vom Meer aus gut zu sehen ist auch die auf einem Felsen thronende Statue des Capri-Fischers. Wobei das Fischen eine Zunft ist, die es hier nicht mehr gibt: Die Capresen haben sich längst zur Gänze dem Tourismus verschrieben.

Das führte zu einer derart hohen Verkehrsbelastung, dass auf Capri zu strengen Maßnahmen gegriffen wurde: Nur die Einheimischen dürfen mit dem Auto fahren. Den Transport übernehmen schmale, gelbe Autobusse, die auch die Capresen benützen, und weiße Minibusse, die sich Touristengruppen mieten können - denen passiert mitunter, dass Reiseleiter wie Mario Parlato den Schlager Capri-Fischer in das Busmikro schmettern - und keine Flucht ist möglich.

Auf die Frage, was denn Capri so besonders mache, schmunzelt der Italiener, schaut überlegend in die Ferne und sagt: "Capri ist wie ein Parfum. Es hat so viele Facetten, von denen man zumindest eine mitnimmt." Zitronenmarmelade etwa, deren letzten Reste bald aus dem Einmachglas genascht werden. (Marijana Miljković/DER STANDARD/Rondo/29.5.2009)