Uncharted 3: Drake's Deception (Naughty Dog/Sony) ist für PS3 erschienen

Foto: Sony
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Mit "Uncharted 2: Among Thieves" lieferte Naughty Dog den Kritikern nach 2009 das Videospiel des Jahres. Mit rasanter Action, dicht verwoben in eine Abenteuerreise und menschlichen Charakteren setzte es einen neuen Standard für Videospielinszenierungen. Dementsprechend hoch sind die Erwartungen an den kürzlich erschienenen Nachfolger "Uncharted 3: Drake's Deception". Ist das Konzept zwei Jahre später bereits überholt oder können die Schöpfer den Maßstab erneut höher setzen?

Abenteuerreise

Im dritten Teil stürzt sich Protagonist Nathan Drake, abermals charmant synchronisiert von Nolan North, in die sagenumwobenen Abgründe rund um die verschollene Stadt Iram, auch als "Atlantis of Sands" bekannt. Zusammen mit dem väterlichen und ebenso großartig gesprochenen Gefährten Victor Sullivan (Richard McGonagle) beschließt man, sich selbst nach den waghalsigen Unterfangen der vergangenen vier Jahre nicht vor historischen Gespenstern, machtgierigen Widersachern und schwer zu versichernden Reisebedingungen abschrecken zu lassen. Soweit die erwartbare Basis eines jeden Adventure-Spektakels. Tatsächlich trifft es den von erster Minute in einer Pub-Prügelei gefassten Spieler unverhofft: Denn die folgende, vor Superlativen strotzende Achterbahnfahrt, fördert behutsam wie ein Grabräuber, für ein Videospiel unüblich feinfühlig, die antriebgebende menschliche Komponente an die Oberfläche. Mit dem ersten Takt wird klar: Die brachiale Bildsprache, die nur programmiertechnisch realisierbaren interaktiven Unmöglichkeiten entsprangen einer äußerst feinen Feder (Amy Hennig).

Von den Katakomben ins verfluchte Paradies

Dabei kommt das Offensichtliche nicht zu kurz. Drakes herzerweichende Hintergründe werden in einem Guss mit atemberaubenden Entdeckungsreisen erläutert. Gejagt und verlockt von den Ambitionen der unterkühlten Gegenspielerin Katherine Marlowe (Rosalind Ayres) verschlägt es einen anfangs in die Katakomben Londons, sucht im stets mitgeführten Notizen Francis Drakes nach Hinweisen, um Jahrhunderte alte Geheimtüren zu öffnen, liefert sich in imperialen, verschütteten Bahnhofshallen Schießereien mit ausgefuchsten Schergen und sehnt mit dem nächsten Clou in der Hand bereits den nächsten Zielort herbei. Alle Gameplay-Elemente werden dabei wie die ruhelosen Schauplätze rund um ein versinkendens Kreuzschiff, ein brennendes Chateau in Frankreich oder die ewig fließende Wüste selbst nahtlos ins Geschehen eingebunden. Balancierend auf einem Jeep, schwungvoll gesteuert von Gefährtin Elena Fisher (Emily Rose), wagt man den Sprung auf die Vorderradachse eines abhebenden Flugzeugs. In tausenden Metern Höhe Gerät man in die Fänge eines muskelbepackten Tunichtguts, boxt, tritt und weicht geschickt den Schwüngen aus. Die Ladeklappe öffnet sich, tonnenschweres Frachtgut reist einen ins Freie. Der Griff an das flatternde Fixierungsnetz rettet einem das Leben während man bereits im Moment darauf sich zurück ins Flugzeug hantelt und sich dabei einen zünftigen Schusswechsel mit der Bordcrew liefert.

Kein Hokus-Pokus

Das ist alles echt und kein Film, so hat man das Gefühl. Denn obgleich der nur ansatzweise hier geschilderten Magnitude der Ereignisse, sich dies nach inszenatorischen Ausmaßen einer Michael Bay-Produktion anhört, ist kaum ein Atemzug nicht aktiv erlebt. Man klettert selbst die zusammenfallende Glut hinab, die sich einst auf französisch kunstvoll errichtetes Mauerwerk nannte. Man selbst wird seekrank bei der Flucht aus dem auf den Kopf gestellten Kreuzfahrtschiff und man selbst wird Zeuge der fata-morganischen Schönheit einer sternenbedeckten Wüstennacht. Humorvoll untertitelt mit dramatischen Dialogen und verwirrten Monologen, die Zitatebücher füllen, wird man, gebannt vom optischen wie orchestralen Feuerwerk, Teil einer Indiana Jones-Oper. Nur dass man eben selbst die Instrumente spielt, während - so scheints von Geisterhand - fehlerlos der Taktstock schwingt.

Perfekte Verschmelzung

Es ist ein Triptychon aus Action, Plattforming und Puzzle, das kritisch betrachtet als formelhaftes Spielkonzept bezeichnet werden kann. Wenngleich das Auge über den Dächern eines glitzernden Londons oder den himmlischen Dächern Cartegenas scheinbar in die Unendlichkeit sieht, sind die Grenzen sehr eng gezogen. Man darf die nächsten zwei, drei Schritte planen, das Heft haben jedoch stets die Regisseure in der Hand. Damit verblasst zwar die Illusion, in einer Parallelwelt zu treiben - wie es ein "Grand Theft Auto" oder jüngst auch ein "Batman: Arkham Asylum" gekonnt vorgaukeln. Doch das Resultat ist ein atemloses Abenteuer, dessen Spannungsdichte kaum zu übertreffen ist.

Wirtshausprügeleien und Wild-West-Schießereien

All dies wäre unmöglich, wenn die Basiselemente für sich allein nicht stimmen würden. Die offensichtliche Schönheit der Schauplätze sei nur soweit unterstrichen, dass selbst den sattgesehendsten Unterhaltungssüchtlern konstant die Spucke wegbleibt. Naughty Dogs Spezialisten und Designer holen derzeit einfach mehr aus Bits und Bytes heraus, als ihre bestimmt ebenso talentierten Branchenkollegen. Kletternd, schwimmend, springend lässt sich Drake selbst mit einer knöchernen Fackel in der Hand nichts von Lara Croft vormachen. Prügeleinlagen haben das überzeichnete Wesen einer Satz-heiße-Ohren-Bud-Spencer-Watsche und die mühelose Tödlichkeit eines Kung-fu-Meisters. Die deckungslastigen Feuergefechte mit Colt oder MG sind ob des eingerechneten Rückstoßes und cleverer Gegner überaus anspruchsvoll - auch wenn man nicht gerade von der Decke oder einem Laternenmast herunterhängt. Widersacher flankieren, schützen sich und werfen mit ekelhafter Genauigkeit Granaten.

Den tiefsten Punkt erreicht diese explosive Mischung in besonders stressigen Situationen. Aus Panik springt man dann nicht ins rettende Wasser, sondern auf den Schornstein des beschossenen Bootes. Verstärkt wird der Schweißfluss von leider zu oft eingeworfenen Übergegnern, die mit Schutzwesten bekleidet etwas zu viel für den realistischen Geschmack einstecken.

Kooperatives Highlight

Es kostet zweifellos ein wenig Übung, bis man die facettenreichen Fähigkeiten Drakes meistert. Umso schöner gelingen im dritten Teil die geistig anregenden Pausen mit clever eingebetteten Rätseln und erzählerischen Elementen. Wer nach dem knapp zehnstündigen Adrenalintripp nicht sowieso Lust verspürt, gleich nochmal einzusteigen, um auch alle Schätze zu bergen, findet ebenso ausdauernde Unterhaltung in den diversen Mehrspielermodi. Besonders zu empfehlen sind die eigens geschriebenen Coop-Szenarien, die für bis zu drei Teilnehmer Mini-Abenteuer bereithalten. Der klassische Multiplayer-Part mit Deathmatch-Variationen wurde durch ein vielschichtiges Erfahrungssystem aufgewertet. Von der Masse heben sich "Uncharted 3s" Gefechte abermals durch das vertikale Gameplay ab.

Fazit

Es gibt vielleicht nicht einmal eine Hand voll Spiele, die so sehr an den Bildschirm fesseln, dass man sie in einem Zug vom Anfang bis zum Ende genießen möchte. "Uncharted 3" macht sogar einfach nur zusehend so viel Spaß. Naughty Dog hat die Messlatte für epische Inszenierungen erneut höher gesetzt und es dabei geschafft, Spiel und Erzählung noch dichter miteinander zu verstricken. Das sind Geschichten rund um Charaktere, die einem nahe gehen und noch lange in Erinnerung bleiben. Gewiss überrascht dies nicht mehr so sehr wie vor zwei Jahren und das Konzept zeigt klare Grenzen auf. Doch es ist ein Hoch auf die Ausdruckskraft des Mediums Videospiel und gibt einen Ausblick darauf, welchen Anspruch man als Spielkonsument künftig stellen wird können. (Zsolt Wilhelm, derStandard.at, 6.11.2011)

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