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Wien – Post von den ORF-Redakteurssprechern haben am Montag die Klubobleute der fünf Parlamentsparteien bekommen. Inhalt sind Forderungen zur Änderung des ORF-Gesetzes und ein "Sündenregister" der Stiftungsräte, das dokumentieren soll, wie problematisch sowohl Zusammensetzung als auch Verhalten des Stiftungsrates seien. Denn neben umstrittenen Personalvorhaben, die von ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz mittlerweile zurückgenommen wurden, wollen die ORF-Journalisten einen Schritt weitergehen. Was nun folgen müsse, sei eine öffentliche Debatte über neue gesetzliche Rahmenbedingungen.

Aufsichtsrat statt Stiftungsrat

Die Redakteure erinnern an ihren Vorschlag, den Stiftungsrat nach dem Vorbild von Aufsichtsräten anderer Großunternehmen zu gestalten. Dieser Aufsichtsrat solle maximal zwölf bis 15 Mitglieder umfassen und zu einem Drittel aus Belegschaftsvertretern und Redakteursvertretung zusammengesetzt sein.

Darüber hinaus müsse dafür gesorgt werden, dass das ORF-Aufsichtsgremium "nicht bei jeder Veränderung politischer Mehrheitsverhältnisse diese sofort spiegelt und das dann auch (meist recht rasch) in der Besetzung von ORF-Chefpositionen seine Fortsetzung findet", heißt es. Etwa durch ein sich selbst erneuerndes Aufsichtsgremium. Die Nominierungen für die Erstbeschickung könnten vom Hauptausschuss des Nationalrats mit Zweidrittelmehrheit oder vom Bundespräsidenten als Auswahl aus – veröffentlichten – Vorschlägen gesellschaftlich relevanter Einrichtungen/Gruppierungen vorgenommen werden.

Redakteursstatut entstauben

Weiters sei eine Verbesserung des ORF-Redakteursstatuts notwendig, das mittlerweile 35 Jahre alt sei. So sollen journalistische Mitarbeiter, die die Freiheit ihrer journalistischen Arbeit beeinträchtigt sehen, "das explizite Recht haben, die Redakteursversammlung anzurufen". Auch die Möglichkeit zur Ablehnung der Besetzung von Leitungsfunktionen durch die Geschäftsführung wünschen sich die ORF-Redakteure, genauso wie die Möglichkeit der Abberufung aus journalistischen Leitungsfunktionen – jeweils mit Zweidrittelmehrheit der Redakteursversammlung.

Ökonomische Basis soll gesichert werden

Ebenso wie die Unabhängigkeit des ORF sei dessen ökonomische Basis zu sichern. Zu streichen sei daher die Koppelung der teilweisen befristeten Gebührenbefreiungsrefundierung an eine weitere "strukturelle Reduktion der Personalkosten" und eine "Reduktion der Pro-Kopf-Kosten". Auch das Anhörungsrecht der Landeshauptleute bei der Bestellung der ORF-Landesdirektoren sei obsolet.

Weiters wollen die Redakteure die Beschränkungen im Onlinebereich aufgehoben sehen, dies sei eine "mit zeitgemäßem Medienverständnis unvereinbare Amputation des ORF-Online-Angebots" in puncto Umfang der Berichterstattung und Social-Media-Aktivitäten.

"Sündenregister" der Stiftungsräte

Angehängt an das Schreiben ist eine von den ORF-Redakteuren zusammengetragene Liste von Verfehlungen einzelner ORF-Stiftungsräte. Quer durch die "Freundeskreise" aller Parteien im obersten ORF-Gremium werden Verhaltensweisen aufgelistet, die nach Ansicht der Journalisten gegen den gesetzlichen Auftrag verstoßen.

Genannt werden neben Robert Ziegler und Siggi Neuschitzer auch der FPÖ-Stiftungsrat Norbert Steger, der laut Parteipressedienst erklärte, wichtige ORF-Belange in Hinkunft immer direkt mit dem Partei- und Klubobmann Heinz-Christian Strache zu besprechen. Das sei unvereinbar mit der Verschwiegenheits- und Vertraulichkeitsverpflichtung des Stiftungsrats, so die Redakteure.

Im "Sündenregister" angeführt ist auch die Wahl der Landesdirektoren. Die Stiftungsräte "wussten bloß, wie viele Bewerbungen es für den jeweiligen Posten gab, aber nicht, wer sich überhaupt beworben hatte". 30 der 31 Stiftungsräte, die dem Vorarlberger Landesdirektor ihre Stimme gaben, "hatten bis zur Wahl wohl noch nie von diesem gehört", wollen die ORF-Redakteure wissen. Deutlicher könne die "Sorgfaltspflicht nicht missachtet werden", heißt es. (sb/APA)