Beim Budgetbeschluss diese Woche ist für Häme gesorgt. Die Regierung lässt sich von ihren Abgeordneten ein Sparpaket abnicken, das bereits vor der Abstimmung ziemlich zerfetzt ist. Jüngster Irrläufer: Die Finanztransaktionssteuer wird nun vom wichtigsten Verbündeten Berlin ad acta gelegt. Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble hat seine Hoffnungen einer zumindest für die ganze Eurozone geltenden "Tobin Tax" wegen des großen Widerstands - nicht nur aus Großbritannien - begraben. Damit sind die 1,5 Milliarden Euro, die Maria Fekter bis 2016 aus der Abgabe hereinspielen will, endgültig zum Luftschloss verkommen.

Es wäre aber zu einfach, den drohenden Ausfall mit dem Schwenk Schäubles zu begründen. Erstens spricht der CDU-Mann wegen der Barrieren schon länger von einem drohenden Fleckerlteppich bei der Finanztransaktionssteuer, den er nicht für sinnvoll erachtet. Zweitens ist auch innerhalb der Eurozone die Skepsis weit größer als von Befürwortern gerne dargestellt. Die Niederlande, Luxemburg, Finnland, Malta und auch Italien haben mehr oder weniger große Bedenken, sollte die Abgabe nicht zumindest EU-weit eingeführt werden.

Mario Monti sollte es wissen: Der italienische Regierungschef hat immerhin bei James Tobin, der 1972 das Konzept der nach ihm benannten Steuer entwickelt hat, studiert. Mit dem Abwandern von Finanztransaktionen verflüchtigen sich ja nicht nur irgendwelche bösen Spekulationsgeschäfte: Die Verlagerung würde auch die Eigenkapitalzufuhr der Unternehmen durch internationale Investoren deutlich erschweren, weshalb die Betriebe noch stärker auf die Kreditvergabe der Banken angewiesen wären. Den Finanzinstituten wird aber das Vergeben von Darlehen mit höheren Eigenmittelanforderungen gerade ziemlich vergrault.

Ähnlich, nur noch schlimmer, sind die Auswirkungen der nun angedachten Alternativen. Die Wiedereinführung der Börsenumsatzsteuer zielt noch stärker auf die Diskriminierung von Aktien ab, während sogenannte Spekulation taxfrei bleibt. Zudem steht zu befürchten, dass die Steuersätze auf den Wertpapierhandel weit höher ausfallen, weil Derivate und andere komplexere Produkte nicht erfasst werden. Zweite Alternative ist eine europaweite Bankensteuer, die an und für sich sinnvoll wäre. Österreich sollte aber nicht den Fehler begehen und sich neuerlich hohe Einnahmen daraus erwarten. Mit der schon existierenden Abgabe liegt das Land nämlich jetzt schon am oberen Rand in Europa.

Die Regierung wäre gut beraten, das Aus für die Finanztransaktionssteuer gleich als Anlass für eine Generalüberholung des brüchigen Budgetgerüsts zu betrachten und auch die anderen Fantasien zu begraben: Einnahmen aus dem erhofften Steuerabkommen mit der Schweiz und aus der neuen Pensionskassenbesteuerung; Einsparungen bei Gesundheit, Förderreform und Struktureffekte bei den Pensionen, um nur einige der Wackelkandidaten anzusprechen. Mit Überschriften werden nämlich keine Finanzen in Ordnung gebracht, wie erst dieser Tage Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll bewies. Spitalsflut und Schuldenberg sind für ihn bestens vereinbar, und von "Theoretikern und Rechnungshofbeamten" lässt er sich "nichts vorschreiben". Derartige föderale Sickergruben gilt es schleunigst zu schließen. Mit oder ohne Finanztransaktionssteuer.
 (DER STANDARD, 26.3.2012)