Mit der Gitarre in der Hand den Alltag besser bewältigen lernen: Ruth Maders rigide komponierter Dokumentarfilm "What is Love" macht sich sein eigenes Bild von der Art, wie Paare und andere "Liebende" miteinander verfahren.

Foto: Thimfilm

Wien - Ein flüchtiger Moment, etwas, das sich wie nebenher ereignet, kann sehr bezeichnend sein. Dieser Satz gilt beim Dokumentarfilm besonders dann, wenn die Filmemacher einer Situation habhaft werden, die so nicht geplant war: ein gestohlener Augenblick, eine profane Offenbarung.

Die Wiener Filmemacherin Ruth Mader, die nach einer fast zehnjährigen Pause endlich wieder einen neuen Film gedreht hat, geht auf ganz andere Weise vor. Sie ist in "What is Love" zwar auch auf der Suche nach einem Ausdruck, in dem sich die Befindlichkeit einer Person konkretisiert oder ein Gefühlszustand verdichtet, doch dieser ist stets hergestellt: das Ergebnis eines kontrollierten Bildes, eines Porträts.

Man kann das schon bei der ersten Protagonistin des ungewöhnlichen Films schnell erkennen: Eine junge Frau, gutaussehend, alleinstehend, als Augenärztin beruflich etabliert, wird in einer Serie unbewegter Aufnahmen gezeigt. Sie artikuliert sich in diesen Bildern kaum, selbst beim Familienessen, wo es im Gespräch primär um den Nachwuchs der Schwester geht, sitzt sie nur stumm dabei; in ihrer Wohnung dann nicht anders - das Baby auf ihrem Schoß ist nur zu Gast, in der Disco tanzt sie später allein.

Die Einsamkeit, von der diese Aufnahmen erzählen, leitet sich von der starren Form ab, die unseren Blick auf diese Frau bestimmt. Die Perspektive ist keine, die viel Raum für ein Dazwischen lässt. Das ist ein streitbares, aber zulässiges Verfahren, welches im österreichischen Kino, zumal in dem der lange bestimmenden Autoren Michael Haneke und Ulrich Seidl, öfters angewandt wird. Bei Mader wirkt die Umsetzung, nicht zuletzt aufgrund der Kürze der fünf Episoden, allerdings fast abstrakt.

Mehr als zwei Tage, sagt die Regisseurin zu ihrer Vorgehensweise, habe sie auch bei keiner Person recherchiert. Das ist nicht besonders lang, um sich ein Bild von einer Lebenssituation zu machen. Gerade bei der ersten Figur, der Ärztin, stellt sich da doch die Frage, ob der Ausschnitt, den einem der Film ermöglicht, nicht etwas zu einseitig geraten ist.

Doch "What is Love" gerät dann in seiner Zusammenstellung von Lebens- und Partnerschaftsmodellen selbst multiperspektivischer. Die zweite Episode ist, ganz im Unterschied zu der davor, die Demonstration eines ehelichen Dialogs, den man geradezu vorbildhaft nennen muss. Der Ehemann, ein Finanzberater, schlüpft spätnachts zu seiner Frau ins Bett. "Du bist so gut wie nie daham", lautet der Anfang eines gefasst geführten Gesprächs, bei dem die Entfremdung des Paares ganz offen zum Thema wird.

Wunsch und Wirklichkeit

Maders Methode wird an dieser Stelle deutlich als Zuspitzung von Alltagssituationen erkennbar. Die streng komponierten Situationen stehen nur lose mit einer außerfilmischen Realität in Verbindung, individuelle Lebenslagen werden hier in eine (auch sprachliche) Form gegossen, die ihnen eine exemplarische Note verleiht.

Der Pfarrer, der die Liebe zu Gott an die Gemeinde weitergeben will, die Fabriksarbeiterin, die auch als Mutter zu genügen versucht, sind Gegenstand zweier Episoden, die sich mit Schlaglichtern auf Figuren begnügen. Spannung zwischen dem Menschen und seinen Wünschen sowie den Reibungsverlusten gegenüber der Umwelt stellt sich trotzdem ein.

Am besten funktioniert Maders Realitätsquerschnitt dann, wenn das Zusammenleben nach einem geradezu rituellen Muster erfolgt. Das Ehepaar der bürgerlich-katholischen Familie, das am Ende von What is Love steht, hat gelernt, nach einer klar festgelegten Formel die eigenen Unaufmerksamkeiten zu verbalisieren.

In seinem Versuch, Unzulänglichkeiten eine Form zu verleihen, gleicht es dem Film, der nicht nur das Glück, sondern auch den Mangel daran in Bilder pressen will. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD, 31.3./1.4.2012)