Foto: Gerhard Wasserbauer

Harald Irka

Foto: Gerhard Wasserbauer

Wenn alles seinen normalen Lauf genommen hätte, dann würde Harald Irka dieser Tage wohl in der Küchenbrigade eines Renommierbetriebs geschliffen, bis er alle Positionen durchlaufen, die ruppige Härte des Berufs bis in die Winkel seiner Seele zu spüren bekommen und jeglichen Übermut oder gar spielerische Freude am Experiment erst einmal ausgetrieben bekommen hätte.

Stattdessen ist der gerade 20 Jahre junge, von Saziani-Chef Albert Neumeister frisch von der Hotelfachschule Bad Leonfelden engagierte Mann schon seit vergangenem Jahr Küchenchef im südoststeirischen Straden und von Gault Millau mit zwei Hauben ausgezeichnet. Bei Durchsicht der GM-Bewertung käme man allerdings kaum darauf, dass hier eine aufsehenerregende, vom fantasievollen Umgang mit Gemüse und Milchprodukten bestimmte und auch sonst sehr nordisch anmutende Küche geboten wird, wie man sie sich in unseren Breiten bislang eher nicht erhoffen durfte.

Handschlag-Vertrag

Dass Irka die Chance bekam, einen ganz anderen als den sonst vorgezeichneten Weg zu gehen, ist das Verdienst Albert Neumeisters. Der Seniorchef des Weinguts kümmert sich seit Jahren speziell um die Saziani Stub'n und merkte "schon beim Testkochen" dass Irka mehr wollte und konnte. Ein Jahr arbeitete Irka unter dem ebenso uneitlen wie erfahrenen Küchenchef Nikolaas Sillem, bevor er selbst als Chef installiert wurde und mit Neumeister mittels eines "Handschlag-Vertrags", überein kam, zumindest die kommenden fünf Jahre gemeinsam zu gehen. Das mag einem tollkühn vorkommen - allerdings nur, bis man das erste Mal gekostet hat, was Irka kocht.

Der junge Mann mit der roten Baseball-Kappe und den keck ins Gesicht gekämmten Haaren ist tatsächlich der erste, der - mit Ausnahme Heinz Reitbauers - hierorts verstanden zu haben scheint, was den als übernatürlich ("supernatural") gefeierten skandinavischen Stil ausmacht, warum er eine Erneuerung der Küchenkunst darstellt - und wie er sich ins hier übersetzen lässt.

So spielerisch, so ungekünstelt und doch kunstvoll, wie er derzeit etwa die Möglichkeiten des bescheidenen Lauchs auslotet, der ganz pur und süß gedämpft mit einem Löffel ebenso leichtfüßigen wie geschmacklich dichten Schweinsbratenjus unterfüttert, mit einem Hauch Schafsjoghurt zum Schwingen gebracht und mittels fast schwarz geknusperter Hühnerhaut mit einem Hauch von Bitterkeit und Umami-Schmelz versehen wird - das zeugt von hoher schöpferischer Reife. Dass Irka dabei wie selbstverständlich auch das neue Lieblingsthema der französischen Jungstars wie Iñaki Aizpitarte oder Pascal Barbot zitiert - nämlich einer Kreation mittels dezidiert ins Verkohlte gehender Elemente erst richtig die Kante zu geben - überrascht angesichts seiner Sicherheit im Umgang mit Stilzitaten kaum.

Exakt durchkomponiert

Natürlich war er - gemeinsam mit Neumeister - im "Noma" in Kopenhagen, erklärt Irka, für nächstes Jahr sei ein Praktikum vereinbart worden. Ebenso freimütig erzählt er, dass er sich das Noma-Kochbuch genau angesehen und "natürlich" die eine oder andere Inspiration daraus geholt habe - was man manchen Kreationen auch ansehe. Dass der Gast aber doch hoffentlich bemerkt habe, wie diese (etwa das frittierte "Kalbsstroh", ein Element von Irkas Hauptgang mit Kalbsbries) nur als Zitat im Rahmen einer eigenständig erarbeiteten Kreation eingesetzt werden.

Noch begeisterter sei er aber in Heinz Reitbauers Steirereck gewesen: "Was der mit Gemüse kann, macht mich einfach nur baff". Sein Mentor Neumeister ist dafür hingerissen, wie "selbstvergessen" Irka mit den Gerichten der drei Menüs spielt, wie er fast jeden Tag mit einer neuen Idee auf der Matte steht.

Der Gast wiederum kann sich nur die Augen reiben, wenn nach einer exakt durchkomponierten, hochpräzise gekochten Speisenfolge plötzlich eine schmale, schlaksige Gestalt auftaucht und ziemlich schüchtern fragt, ob eh alles in Ordnung war. Wenn er so vor einem steht, ist man schon sehr verblüfft, dass ein so junger Bursche schon so kochen kann. Jedoch: Wir werden uns daran gewöhnen können. (Severin Corti, Rondo, DER STANDARD, 20.4.2012)