Der Erste Weltkrieg stellt die Adelsfamilie vor Aufgaben. Der Lord (Hugh Bonneville) stellt sich tapfer, Herzoginmutter Violet (Maggie Smith, Dritte von rechts) mit spitzer Zunge: Erfolgsserie "Downton Abbey".

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Wien - Nach zwei Staffeln sah es für kurze Zeit so aus, als warte auf Lord und Lady Grantham eine bange Zukunft. Nicht dass die britische Herrschaftsfamilie und ihre Dienerschaft Schicksalsschläge nicht wieder aufrecht und tapfer überstehen könnte - natürlich kann sie das. Aber was nur würde sie tun ohne die kluge und altehrwürdige Gräfin Violet Crawley?

Gut, die Frage beschäftigte mehr das TV-Publikum, das in Violet-Darstellerin Maggie Smith regelrecht verschossen ist. Aber tatsächlich wäre der Erfolg der Dramaserie Downton Abbey ohne sie fraglich. Die weise Adelsmutter lockert das steife Gehabe ihrer Verwandtschaft mit spitzer Zunge auf und legt mit ihren süffisanten Kommentaren die Verkorkstheit ihrer Zeit frei: "Ich hasse altgriechische Dramen, in denen alles hinter der Bühne passiert."

Aber gottlob: Der im April angekündigte Abgang erwies sich als Zeitungsente. Dame Maggie bleibt in der dritten Staffel ab September und danach im Ensemble, versprach ITV. Und bis dahin ist die Welt ohnehin in Ordnung. Der Abosender Sky startet die zweite Saison am Mittwoch. Autor Julian Fellowes gewährt seiner Heldin ausgiebig Raum für Sarkasmus. Mit ihr taucht er wieder ein in die Welt der Herrschenden und Dienenden im England Anfang des 20. Jahrhunderts, als sich die Welten der oberen und unteren Zehntausend immer mehr vermischen.

Stand in der ersten Staffel noch der Untergang der Titanic am Beginn des Geschehens, so sorgt nun abermals ein Brief am Frühstückstisch für geänderte Umstände: "Jeder Mann, mit dem ich je getanzt habe, scheint tot zu sein!", schluchzt Tochter Sybill. Kein unerklärliches Schicksal: Die Zeit des Ersten Weltkriegs mitsamt ihren einstürzenden Hierarchien bestimmen die Handlung. Sybill will im Lazarett helfen, dafür plant ein Hausmädchen, sich in Seidenlaken zu betten.

International erfolgreich

Ein ähnliches Konzept der Zeitenwende verfolgte der mit Gosford Park oscarprämierte Drehbuchautor Fellowes mit einer neuen Fassung von Titanic dieses Frühjahr. Aus den Perspektiven von Adel, Bürgertum, Dienerschaft erzählte er den Untergang des Luxusdampfers. Der Vierteiler trug klar Fellowes Handschrift, aber allzu oft in Parallelitäten endende Erzählstränge verwirrten: Die Fernseh-Titanic ging unter.

Als Dramaserie konnte Downton Abbey nicht nur in Großbritannien, sondern auch am internationalen Markt bestehen. Wo immer die Crawleys die Wohnzimmer betreten, sind sie gern gesehen, inzwischen in mehr als hundert Ländern. Dagegen verschwinden kritische Stimmen, die in der zweiten Staffel längst nicht mehr Charme und Feinschliff im Miteinander der Standesvertreter sehen und die Zwischentöne unter zu viel Kriegskitsch vermissen.

Zu Weihnachten droht im britischen Fernsehen trotzdem ein Kampf der Kostüme: Um gegen Downton Abbey des Privatsenders ITV zu bestehen, setzt die BBC ihre Spezialwaffe ein: Hebammen, die in den Fifties durch die Straßen Londons radeln, um rechtzeitig zur Stelle zu sein. Call the Midwife ist neben Downton Abbey der Briten liebste Dramaserie. Im Fall von Maggie Smith gibt es doppelt Grund zur Vorfreude: Mit Shirley MacLaine als Tante aus Amerika sind weitere scharfe Wortgefechte garantiert. (Doris Priesching, DER STANDARD, 17.7.2012)