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Die inhaftierte Menschenrechtsanwältin Nasrin Sotudeh befindet sich seit über 40 Tagen im Hungerstreik. Am 12.12. wird ihr der Sacharow-Preis in Abwesenheit verliehen.

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Sympathisanten von Nasrin Sotudeh aus Wien. Minoosh Malekzadeh (Mitte) und Farshideh Tehrani (re).

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Zwei Datteln am Morgen, zwei Datteln am Abend. So sieht Nasrin Sotudehs Speiseplan aus. Und das seit mehr als 40 Tagen. Seit 17. Oktober ist die iranische Menschenrechtsanwältin und diesjährige Sacharow-Preisträgerin im Hungerstreik. Vor zwei Jahren hat die iranische Regierung Sotudeh inhaftiert, weil sie mit ihrer Arbeit die nationale Sicherheit des Landes gefährden würde. Außerdem, so der Vorwurf, würde die Anwältin Propaganda gegen das Regime betreiben.

Ikone des friedlichen Widerstands

Menschenrechtsaktivisten weltweit machen auf Sotudehs Schicksal aufmerksam. Blogs und Facebook-Seiten sind der 49-Jährigen gewidmet. Unter iranischen Oppositionellen ist die zierliche Frau längst eine Ikone des friedlichen Widerstands, Irans Aung San Suu Kyi sozusagen (die Burmesin hat den Sacharow-Preis 1990 erhalten). Sotudeh wurde Ende Oktober gemeinsam mit dem unter Hausarrest stehenden iranischen Filmemacher Jafar Panahi zu Gewinnern des Sacharow-Preises für Meinungsfreiheit gekürt. Seitdem ist Sotudeh auch einem breiteren Publikum bekannt.

Man weiß von ihrer Arbeit, dass sie namhafte iranische Oppositionelle und Aktivisten der grünen Bewegung, die 2009 gegen das umstrittene Ergebnis der damaligen Präsidentschaftswahlen protestierten, verteidigt hat. Außerdem hat sie sich seit Jahren für die Rechte von Kindern, zu Tode verurteilten Jugendlichen und Frauen stark gemacht.

Politische Gefangene

Seit 2010 ist sie nun in Teherans berüchtigtem Evin Gefängnis für politische Gefangene. Einmal pro Woche darf sie ihren Mann und ihre zwei Kinder sehen, wenn es sich die Behörden nicht kurzfristig anders überlegen. Bei diesen Besuchen ist sie von ihrer Familie immer getrennt durch eine Glasscheibe.

Zehn bis 15 Minuten dauern diese Treffen. Mit ihrem Hungerstreik versucht sie die Behörden zu erweichen, ihre Angehörigen auch persönlich sehen zu dürfen. Hinzu kommt, dass sie sich gegen ein neues Urteil zur Wehr setzen möchte, dass nicht sie, sondern ihre 12-jährige Tochter betrifft. Ihrer Tochter hat man verboten, dass Land zu verlassen. Ein klarer Fall von Sippenhaftung. Nicht ungewöhnlich in der Theokratie.

Sympathisanten in Wien

"Das Regime versucht sie zu brechen", sagt Minoosh Malekzadeh. Der 45-jährige Wiener ist einer von zahlreichen Sympathisanten weltweit, die sich aus Solidarität mit der Anwältin einem dreitägigen Hungerstreik angeschlossen haben. Einige Exiliraner haben sich im Büro der Menschenrechtsorganisation Amnesty International im 15. Wiener Gemeindebezirk versammelt und diskutieren über den Fall. Mit der Solidaritätssaktion versuchen sie der Menschenrechtsanwältin Mut zu machen. Ursprünglich sollte Sotudeh elf Jahre hinter Gittern bleiben. Mittlerweile hat ein Berufungsgericht die Haftstrafe auf sechs Jahre verkürzt. Doch mit dem Ausreiseverbot der Tochter versucht die Regierung weiter Druck auf Sotudeh auszuüben. Dass sie den Sacharow-Preis gewonnen hat, habe ihre Situation nicht unbedingt verbessert, urteilt Malekzadeh: "Die internationalen Preise machen es in der Regel für diese Leute schwieriger, und erhöhen den Druck auf sie."

Auch Farshideh Tehrani hungert dieser Tage aus Solidarität mit. Auf den Magen hat sich der Hungerstreik noch nicht geschlagen, der 46-jährigen Ingenieurin sei nur permanent kalt, sagt sie. Wenn sie von Sotudeh spricht, nennt sie die Anwältin nur liebevoll "Nasrin", als seien die zwei Frauen alte Freundinnen. "Das Regime bekommt Angst, wenn die Frauen Widerstand leisten", sagt sie. Und immer mehr Frauen würden sich für Sotudeh einsetzen, beobachtet Tehrani, da sie in ihr eine Mutter sehen würden, die sich für das Recht einsetzt ihre Kinder zu sehen, weniger eine politische Aktivistin, die das Ende des Regimes im Sinn hat. Heute wird das europäische Parlament in Brüssel ein meterhohes Banner mit Sotudehs und Panahis Konterfei an seine Fassade anbringen. Den Sacharow-Preis will man ihnen dann am 12.Dezember überreichen. Persönlich wird keiner von beiden den Preis entgegen nehmen können. (Solmaz Khorsand, derStandard.at, 3.12.2012)