Köstliche Zutaten für Hechtnockerln mit Sauce Nantua.

Illustration: Andrea Maria Dusl

Die mit Abstand beste Art, sich des alabasterfarbenen, festen, wunderbar nach Waldboden duftenden Fleisches vom Hecht zu bemächtigen, ist das auf der Haut und in reichlich Butter knusprig gebratene Filet. Allerdings nur, wenn der Koch den Y-Schnitt beherrscht, um die heimtückischen Gräten des Hechts vorab loszuwerden.

Die Dinger sind wirklich gefährlich, nicht groß, aber zahlreich und mit eingebauten Widerhaken wie geschaffen, um sich so unverrückbar wie reckfreundlich in der Speiseröhre zu verfangen. Geschröpft wie ein Karpfen aber ist so ein Hecht eine eher matte Sache.

Umso ärgerlicher, dass der Y-Schnitt ein gut gehütetes Küchengeheimnis zu sein scheint und selbst größte Chefs ihn oft nicht kennen. Das könnte der Grund sein, warum Hecht so unwahrscheinlich selten auf den Speisekarten zu finden ist - obwohl er als König der Süßwasserfische gelten darf. Bevor es jetzt aber weihnachtlich wird, ein Tipp: Steirereck-Chef Heinz Reitbauer ist auch in dieser Hinsicht eine Ausnahme, er beherrscht den geheimnisvollen Grätenschnitt, weshalb man da durchaus regelmäßig Hecht der grätenfrei grandiosen Art serviert bekommt.

Selbst ist der Hecht

Weil Weihnachten ist, sind ohnehin die häuslichen Köche gefragt - und ein Gericht, das als Klassiker der französischen Küche, als wahrhaft königliches Rezept gelten darf - und für das den Gräten auf weniger elegante, dafür aber kommode Art der Garaus gemacht wird, freilich mit ganz und gar zivilisiertem Ergebnis. Aber schön der Reihe nach.

Wie stets bei festlichen Gelegenheiten und familiären Gelagen gilt die oberste Maxime, sich als Gastgeber nur ja nicht über Gebühr in der Küche zu verabsentieren - und damit in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu bugsieren. Kaum etwas ist unerfreulicher für die Gäste, als wenn sich die Hausleute schon beim Hallo-Sagen in fortgeschrittenen Stresszuständen befinden und es den Rest des Abends weit mehr darum zu gehen scheint, ob die Steaks exakt medium rare gebraten, der Fisch auf den Glaspunkt gedämpft ist, als dass die Tischgesellschaft sich wohlfühlt, die Unterhaltung so anmutig sprudelt wie der Champagner (oder, im konkreten Fall anzuraten, eines Riesling vom Kamp oder der Saar) und man auch über anderes reden darf als die Hochleister in der Küche.

Viel zu oft wird doch vergessen, dass die Hauptrolle beim Fest immer den Gästen zukommt - wenn das Essen darüber hinaus auch noch gut ist, umso besser. Wenn es sich jedoch spektakulär vordrängen will, dann läuft etwas schief.

Fischvertrauen

Jetzt ist es aber Zeit, sich in die Küche zu verfügen. Wohlweislich am Tag vorher: Hechtnockerln (und erst die Sauce!) machen auf eine Art Arbeit, dass man sich locker einen Tag in der Küche damit vertrödeln kann - eine wunderbare Gelegenheit, den Irrsinn der Vorweihnachtszeit abzubeuteln und in eine Art meditativer Robotiererei zu verfallen, auf dass die Zeit endlich ein bissl langsamer verrinnt. Bis auf die finale Gratinage im Rohr kann alles vorbereitet werden.

Hecht und Fußkrebse gilt es beim Fischhändler des Vertrauens vorzubestellen. Alternativ könnte der Samstag vor dem Fest für einen Ausflug genutzt werden - die Teichwirtschaft Gut Dornau im Süden von Wien etwa sollte auf Vorbestellung (www.gutdornau.at) beides in exquisiter Qualität vorrätig haben. Sie ist Teil eines barocken Ensembles, das für sich allein den Ausflug wert ist. Für acht Personen sind 800 Gramm Hechtfilet (fixfertig gehäutet bestellen!) sowie 16 Flusskrebse nötig. Die Tiere müssen bis zu ihrer Verwendung kühl gelagert werden und sollten einmal täglich sparsam mit frischem Wasser besprengt werden. Die Karkassen des Hechts sollte man zwecks Fischfond-Bereitung unbedingt mit einpacken.

Der wird gleich als Erstes angesetzt: Hechtkarkassen samt Kopf, aber ohne Kiemen - sonst wird er bitter - mit kleingeschnittenem Wurzelwerk, Lorbeerblatt, Gewürznelke, ein paar Pfefferkörnern, einem Glas Weißwein und Salz in kaltem Wasser aufsetzen und 30 Minuten langsam kochen. Durch ein Sieb seihen.

Sauce Nantua

Für die Sauce Nantua - die nach einem krebsenreichen See bei Lyon so heißt - die Krebse im wallenden Fischfond einzeln kurz pochieren (je drei Minuten), herausnehmen. Bei acht Krebsen den Schwanz abdrehen und schälen, die restlichen werden als Garnitur gebraucht. Auch das schmackhafte Scherenfleisch auslösen. Kühlstellen. Einen Esslöffel gehackte Schalotten in einem Esslöffel Butter anziehen lassen, mit einem guten Viertel Fischfond ablöschen, mit einem Briefchen Safran würzen und stark einkochen, bis nur noch ein Drittel der Flüssigkeit übrig ist. Einen Becher Obers zufügen und weiterkochen, bis die Sauce sämig wird. Salz und Pfeffer - fertig.

Für die Krebsenbutter die Karkassen in kleine Stücke brechen, in etwas Butter anrösten, eine klein gehackte Fenchelknolle, Knoblauchzehe und Zwiebel kurz mitrösten, mit einem Stamperl Cognac flambieren und einem ordentlichen Schuss Weißwein ablöschen. Mit einem Glas Fischfond auffüllen, mit Lorbeer, Thymian, einigen Pfefferkörnern, einer Chilischote und eventuell ein paar Fenchelsamen würzen und bei kleiner Hitze 30 Minuten kochen. Abseihen, bis auf etwa drei Esslöffel einkochen, mit 100 Gramm zimmerwarmer Butter aufschlagen, abschmecken und kühlstellen.

Das Krebsenfleisch mit vier Esslöffeln kaltem Rahm pürieren, zur Safransauce hinzufügen. Die eiskalte Krebsbutter in Stücken unterschlagen und nicht mehr kochen lassen. Mit Salz, Pfeffer, gehacktem Estragon, Piment d'Espelette oder Cayennepfeffer würzen und mit noch ein bissl Cognac abschmecken. Kühlstellen.

Für die Hechtnockerln ist es wichtig, dass alle Zutaten gut gekühlt sind, idealerweise sollte auch der Cutter oder Mixer selbst eine Stunde vorgekühlt werden. Die Hechtfilets in kleine Stücke schneiden und im Mixer pürieren. In mehreren Durchgängen arbeiten, falls der Cutter zu klein ist. Nacheinander insgesamt sechs kleine Eiklar zufügen, dazwischen immer zehn Sekunden mixen, damit die Masse schön homogen wird. Sobald alles gut vermengt ist, den Cutter samt Inhalt nochmals kühlstellen, sonst gehen die Nockerln nachher nicht schön auf oder, noch schlimmer, die Masse gerinnt. Nach 20 Minuten die Crème fraîche - insgesamt rund einen halben Liter - abermals in kleinen Portionen - unter die Masse mixen. Mit Salz, Pfeffer, Muskatnuss abschmecken.

Stich das Nockerl

In einem Topf Salzwasser zum Kochen bringen, mittels zweier Esslöffel eiförmige Nockerln aus der Masse stechen und ins Wasser gleiten lassen - sie dürfen nur ziehen, nicht kochen. Sobald sie an der Oberfläche schwimmen, mit einer Schaumkelle herausholen, in einem Topf mit kaltem Wasser abkühlen lassen. Die Nockerln auf individuelle, mit Butter ausgefettete Gratinformen aufteilen oder in einer großen Auflaufform arrangieren und bis zum großen Abend kühlstellen.

Vor dem Servieren die Sauce Nantua im Wasserbad etwas erwärmen, damit sie flüssiger wird. Die Hechtnockerln großzügig damit überziehen, die zurückbehaltenen Krebse dekorativ dazwischen setzen und im auf 240° C vorgeheizten Rohr (Gitter möglichst hoch oben platzieren) rund sechs Minuten gratinieren. Dazu passt krachfrisches Weißbrot.

Weil einem das bei aller Köstlichkeit nicht eben federleicht zwischen die Rippen fährt, empfiehlt sich als Vorspeise ein Salat aus bitteren Blättern, die die Verdauung anregen. Radicchio mit ofengebratenen Roten Rüben wäre eine Möglichkeit, Chicorée mit Orangenfilets und Brunnenkresse eine andere. Hintennach kann angesichts der Weihnachtsbäckerei abermals nur Leichtigkeit das Ziel sein: Zitronensorbet lautet die Indikation, mit etwas Gin der richtig guten Art aufgerührt. Und Vorhang. (Severin Corti, Rondo, DER STANDARD, 13.12.2013)