Bild nicht mehr verfügbar.

Ein drückender Schuh trägt zur Selbstmotivation vermutlich wenig bei.

Foto: APA/Bernd Wüstneck

Was zum Jahreswechsel noch leicht dahingesagt wurde, will spätestens nach dem Neujahrskater in die Tat umgesetzt werden: Knapp ein Drittel der Österreicher hat laut einer IMAS-Studie für heuer Neujahrsvorsätze gefasst – ganz vorne mit dabei ist auch heuer wieder der Vorsatz, mehr Sport zu treiben. Doch das kann im Alltag schwerfallen und in Frustration und Misserfolg enden.

"Ich halte viel von Neujahrsvorsätzen", sagt Christian Gäbler, Facharzt für Unfallchirurgie und Sporttraumatologie und Medical Director des Vienna City Marathon. In seiner sportmedizinischen Ordination gibt es immer pünktlich zum Jahreswechsel einen Anstieg von Sportanfängern mit guten Vorsätzen. "Im Prinzip ist es gut, dass man sich einmal anschaut, was an seinem Leben gut ist und was man ändern möchte." Dass trotzdem viele Vorhaben im Nichts verlaufen, liege daran, dass es sich dabei um "Wischiwaschi-Vorsätze" handelt: "Weniger rauchen, weniger Alkohol, mehr Sport – die Dinge funktionieren so nicht", so Gäbler.

Ziele definieren

Für einen guten Vorsatz müsse nämlich ein konkretes Ziel präzisiert werden, zum Beispiel dass man dreimal pro Woche trainiert. Dieses muss aber im Bereich des Möglichen liegen: "Ich bin hundertprozentig überzeugt davon, dass man jedes Ziel, das man sich setzt, schaffen kann – aber es muss realistisch sein", sagt der Sportmediziner.

Mit "greifbar, realistisch und an ein klares Datum geknüpft" fasst auch der Linzer Sportpsychologe Klemens Weigl ein gut ausformuliertes Ziel zusammen. Die 24-jährige Theresia S. hat Weigls Rat befolgt und heuer zum ersten Mal einen Neujahrsvorsatz gefasst. Dafür hat sie einige Etappenziele festgelegt: Beim heurigen Wien-Marathon wird die Laufanfängerin als Teil einer Staffel an den Start gehen, und beim Frauenlauf will sie im Juni zehn Kilometer laufen. Ein schaffbares Vorhaben, findet Weigl: "Aber wenn eine Anfängerin sagt, sie will unter die Top 10 kommen, dann ist das unrealistisch und frustrierend."

Nach der Definition eines Zieles muss laut Gäbler überlegt werden, wie dieses in den nächsten 365 Tagen umsetzt wird. Für viele funktioniere es extrem gut, sich in den Terminkalender den wöchentlichen Sport als Fixtermine einzutragen, an denen es nichts zu rütteln gibt. "Für mich ist Sport ein Termin mit mir – und das ist eigentlich der wichtigste Termin in der Woche", so Gäbler. "Inkonsequenz beginnt damit, dass man Termine mit anderen Personen für wichtiger hält als Termine mit sich selber."

Die richtige Sportart

Für Einsteiger richtet sich die Wahl der richtigen Sportart laut Gäbler ganz nach den persönlichen Vorlieben – und nach dem übergeordneten Ziel: Wer im neuen Jahr sein Gewicht reduzieren will, sollte auf die Ausübung von Ausdauersportarten im Niedrigpulsbereich – je nach Alter und Grad an Übergewicht also Laufen, Radfahren, Schwimmen – setzen. In diesen längeren und langsamen Einheiten lerne der Körper, Fett zu verbrennen, anstatt auf die Kohlehydratspeicher zurückzugreifen – dadurch nimmt man ab.

Für alle Vorsätze gelte aber: Wer über 35 ist und lange keinen Sport gemacht hat, dem empfiehlt Gäbler vorerst eine sportmedizinische Untersuchung. Dabei wird die körperliche Fitness getestet und überprüft, ob der Körper zu regelmäßigem Sport überhaupt in der Lage ist. Der gut gemeinte Vorsatz kann sonst nämlich sogar gefährlich werden: Immer wieder brechen Sportanfänger mit Herzrhythmusstörungen zusammen, weil ihr Herz der Anstrengung nicht gewachsen ist.

Nach der sportmedizinischen Überprüfung lohnt es sich, einen professionellen Trainingsplan zu erstellen, in dem über zehn bis zwölf Wochen stufenweise die Leistung gesteigert wird – und mithilfe dessen manche Anfängerfehler vermieden werden können: Viele Anfänger würden zum Beispiel in einem zu hohen Pulsbereich trainieren, so Gäbler.

Motivation im Alltag

Ist das Ziel definiert, sämtliche medizinische Fragen geklärt und ein Trainingsplan erstellt, dann steht dem Erreichen des Neujahrsvorsatzes theoretisch nichts mehr im Wege. Viele können sich aber trotzdem nur mühsam motivieren: Nach einem langen Arbeitstag scheinen Couch und Fernseher plötzlich viel verlockender, als eine Runde zu laufen.

Solche Motivationstiefs kennt Klemens Weigl nicht nur von Hobbysportlern, sondern auch von Profis, die längere Zeit verletzungsbedingt aussetzen mussten. Er betont, dass die soziale Komponente bei der Umsetzung von Neujahrsvorsätzen eine wichtige Rolle spielt: Sind die Vorsätze nämlich erst einmal gefasst, dann erzählt man davon seinen Mitmenschen. Dadurch steige das Commitment: Wenn andere über den Vorsatz Bescheid wissen, macht man nicht mehr so leicht einen Rückzieher. Auch Lauftreffs oder die Mitgliedschaft in Sportvereinen könnten dazu motivieren, den geplanten Lauf nicht einfach so abzusagen.

Ein Trainingstagebuch kann laut Weigl dabei helfen, sich zu motivieren. Nach einer Trainingseinheit sei man sensibler, der Körper ist besser durchblutet und man fühle sich besser – eine Phase, die dazu genutzt werden sollte, mental noch einmal den Lauf durchzugehen und aufzuschreiben, was gut und schlecht war. "Wer ein Trainingstagebuch führt, weiß meistens sehr genau was man vorletzte Woche trainiert hat – andere sind sich manchmal weniger bewusst, dass sie gute Fortschritte gemacht haben", so Weigl.

Außerdem müsse man Geduld mit sich haben: "Es dauert mindestens zwei bis drei Wochen, bis man eine neue Gewohnheit im Alltag richtig umsetzen kann", so Weigl – und wenn Sport fixer Teil des Alltags geworden ist, kostet er weniger Überwindung. Noch länger dauert es, bis Muskeln aufgebaut werden, der Körper sich umstellt und Fett in größeren Mengen verbrannt wird. „Anfangs bleibt die Waage oft gleich", erklärt der Sportpsychologe – ein Umstand, der zur Demotivation noch weiter beitragen kann.

Ein Schritt nach dem anderen

Auch wenn es am 31. Dezember noch wie eine gute Idee erschienen ist, gleich sein ganzes Leben umzukrempeln – sich mehr als einen Neujahrsvorsatz aufzuhalsen bringt hauptsächlich Frustration und Misserfolg, weil es laut Gäbler lustfeindlich ist. "Ich bin der Meinung, dass die meisten Lebensstiländerungen von selbst kommen, wenn man beginnt, regelmäßig Sport zu machen", so Gäbler. Die Ernährung werde bewusster, weil ein sportlich geforderter Körper nach Vitaminen verlange, so Gäbler: "Jeder, der Sport macht, wird weniger rauchen, weil Rauchen mit Sport weniger Spaß macht. Und genau dasselbe gilt für Alkohol." (Franziska Zoidl, derStandard.at, 3.1.2014)