Der China-Imbiss Anming hat ab dem Frühstück geöffnet. Die Vielfalt der Aromen und Texturen lässt sich ab Mittag richtig erforschen und genießen - am besten mit Kumpanen, dann kann man mehr probieren!

Foto: Gerhard Wasserbauer

Zum Frühstück ist die Imbisstube an der Wienzeile noch mehrheitlich in der Hand chinesischer Mitbürger, die hier ihre Reissuppe schlürfen, gefüllte Germteigknödel Baozi verdrücken oder frittierte Teigstangen You Tiao in gezuckerte Sojamilch tunken. Aber schon zur Mittagszeit sind die Langnasen oft in der Mehrzahl - dabei hat das kleine Lokal erst seit kurzem geöffnet und serviert dezidiert chinesische Köstlichkeiten.

Kompromisse zugunsten landläufiger Erwartungshaltungen an asiatische Küche sind hier nicht zu erwarten. Liebhaber von Hühnerfüßen, Entenzungen und anderen Feinheiten, die den chinesischen Gusto auf variantenreiche Texturen illustrieren, sind hier richtig. Aber auch sonst gibt es reichlich Gerichte, die einem den Schauder des Exotischen gekonnt über den Rücken jagen.

Allerdings: Die Qualität der Küche ist derart hoch, dass man sich recht gefahrlos über die abenteuerlichen Optionen der Karte trauen darf: Die Portionen sind klein, die Preise noch kleiner. Es soll also nichts Schlimmeres passieren, als dass einem irgendwas Wildes nicht schmeckt - zumindest probiert hat man's dann. Beim Eingang gibt es eine Vitrine, wo viele Speisen zur Begutachtung bereitstehen. Da kann man sich vorab ein Bild von Schweinsohrensalat, Rindskutteln mit Spezialsauce oder in Sojawein geschmorter Stelze machen.

Schweinefleischtascherln in scharfer Sauce

Bei den Dim Sum werden auch die weniger abenteuerlustigen Gäste aufs Erfreulichste zufriedengestellt. Die Auswahl mag überschaubar sein, dafür ist wirklich alles selbst gemacht. Speziell die gedämpften "Schweinefleischtascherln in scharfer Sauce" sollten unter Pflichtbestellung firmieren: wunderbar bissfester Teig, saftige, zart säuerliche Fülle und eine rote Sauce, in der es vor Aroma nur so schillert - ein paar getrocknete Mini-Garnelen schwimmen jedenfalls drin. Ebenso fantastisch: Pfefferoni mit schwarzem Pfeffer, wo kurz angebratene, halbscharfe Pfefferoni mit köstlicher Sauce kombiniert werden. Frische Erdnüsse mit Koriander werden zum knackigen Salat. Schweinsdarm aus dem Wok mit Frühlingszwiebeln bleibt wohl Hardcore-Foodies vorbehalten. Die erwartet dafür ein interessantes, leichtes und gekonnt abgeschmecktes Gericht, das nur zart nach dem schmeckt, was jetzt alle denken. In einem Extra-Kühlvitrinchen hängen die klassischen rot gebeizten Enten. Davon sollte man ebenso kosten wie von den diversen und durch die Bank köstlichen Tofugerichten. Wunderbar geraten auch die Nudelsuppen (speziell jene mit "scharfem Gulasch"), die gegrillten Spareribs, der Oktopussalat mit Koriander. Ja, eigentlich eh alles, was einen auf der Karte anlacht.

Insgesamt jedenfalls mehr als erfreulich, dass ein authentisches Restaurant, das vor wenigen Jahren wohl ziemlich ausschließlich Chinesen vorbehalten gewesen wäre, sich inzwischen derart regen Zuspruchs durch Eingeborene erfreut! (Severin Corti/Der Standard/rondo/20/11/2009)