Das Kastell von Baia, früher einmal effizienter Schutz des Hafens von Pozzuoli, heute ein exzellentes Museum

Pompei - die verschüttete Stadt am Fuß des Vesuvs haben die meisten Neapel-Touristen besucht. Sie ist zusammen mit Herculaneum die am besten erforschte, am besten dargestellte. Das Leben in Pompei wurde für die Antike-Fans des 20. Jahrhunderts zum erlebbaren Beispiel für die römische Gesellschaft außerhalb Roms, für eine reiche Bürgerschicht mit enormer Lebensqualität, gleichzeitig mit einer Neigung zu Ausschweifungen, die für die frühen Christen zum Plakat für Gottesstrafen wurde.

Luxusleben, Promi-Betrieb, Villen wie in Hollywood, private Tempel, eines der größten Amphitheater der Antike - all das gab es jedoch nicht nur in Pompei. Das Zentrum der römischen Freizeitkultur war Baia. In den Neunzigerjahren trat diese andere, bis dahin vernachlässigte Gegend in den Vordergrund. Sie liegt am anderen Ende des großen Golfs von Neapel, getrennt von der Hafenmetropole durch den kleineren Golf von Pozzuoli.

Als museales Zentrum wurden die Flächen im ehemaligen Kastell von Baia ausgebaut. Eine Tagesfahrt mit einem gecharterten Segelschiff gehört zu den Geheimtipps, vor allem wenn man die Rückkehr nach Neapel um Mitternacht mit einem kleinen Abendessen kombiniert.

Die Blütezeit dieses "Arkadien" währte rund 200 Jahre, fünfzig vor und hundertfünfzig nach Christi Geburt. Zwei Faktoren trugen diese Prosperität. Sehr früh schon die Schwefelquellen in den "Phlegräischen Feldern". Dort kurten die Reichen, die Gegend wurde zur römischen Ferienkolonie. Caesar besaß eine riesige Villa, die im Meer versunken ist. Plinius der Ältere, zur Zeit des Vesuv-Ausbruchs Befehlshaber der Flotte im Golf, arbeitete von seiner Villenanlage aus als Naturforscher. Eine wirtschaftliche Explosion brachten die Getreideimporte aus dem eroberten Ägypten. Der Hafen von Pozzuoli wurde zum Umschlagplatz der Importe, Kaiser Nero begann, eine antike Autobahn nach Rom zu bauen.

Fast monatlich werden neue Attraktionen entdeckt, seit man mit dem Einsatz von 200 Mio. Euro im Hafen von Baia Villen, Bäder und Tempelanlagen freilegt: Ein unterseeischer Park ist entstanden, eine neue Qualität der Archäologie ermöglicht worden. Das alte Baia erstreckte sich vom heutigen Ufer etwa 400 Meter hinaus ins Meer. Dieser Stadtteil musste aufgegeben werden, weil die vulkanischen Aktivitäten phasenweise zu Schwankungen des Meeresspiegels bis zu zwanzig Meter führen können.

In der Gegend der kleinen Bucht von Baia befand sich in römischer Zeit ein Küstensee, den Tacitus und Seneca in ihren Schriften erwähnen und den man vom damaligen Ufer über einen Kanal erreichte. Thermen, Gärten, Villen, Parks, Fischteiche und öffentliche Gebäude prägten diese Uferlandschaft, die man in den kommenden Jahren durch Video-Simulationen den Besuchern näher bringen möchte. Das Museum von Baia bietet derzeit eine Fülle antiker Skulpturen, die meisten von ihnen aus dem Meer geholt und daher gut erhalten. Eine Ausstellung im Archäologischen Museum der Phlegräischen Felder zeigt die Funde eines Nymphäums, präsentiert exzellent erhaltene Statuen, darunter eine des Odysseus und eines Gefährten, vor allem aber die Köpfe reicher Potentaten auf makellosen Figuren. (Der Standard/rondo/12/11/2004)