Wien - Die Flüchtlingstragödie vor der EU-Südgrenze soll Hauptthema des informellen Rates der EU-Innenminister am Dienstag in Mailand sein. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) forderte gegenüber mehreren Medien (Sonntagsausgaben) europaweite Resettlement-Programme, um dem Sterben im Mittelmeer ein Ende zu setzten. Für Österreich, das Resettlement-Programme bisher stets abgelehnt hatte, ein Novum.

"Viel zu lange eine Todeszone"

"Das Mittelmeer ist schon viel zu lange eine Todeszone", so Mikl-Leitner. Daher müsse die Möglichkeit geschaffen werden, "dass jene Menschen, die vor Verfolgung flüchten und Schutz brauchen, auch die Möglichkeit haben, lebend nach Europa zu kommen." Eine Lösung sieht die Innenministerin in bereits seit längerem vom UN-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR durchgeführten "Resettlement-Programmen".

Für diese wirbt das UNHCR bereits seit Jahren, stieß in Österreich bisher aber stets auf taube Ohren. So betonte der damalige Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) etwa vor der Aufnahme der ersten Syrien-Flüchtlinge, es handle sich bei dieser nicht um eine Abkehr von der österreichischen Position kein "Resettlement" durchzuführen. Und Mikl-Leitner selbst sagte noch im Juni 2013, es werde von Österreich "keine Resettlement-Maßnahmen" geben.

Kein Asylantrag mehr

Konkret bedeutet Resettlement laut UNHCR-Definition, "die dauerhafte Neuansiedelung besonders verletzlicher Flüchtlinge in einem zur Aufnahme bereiten Drittstaat, der ihnen vollumfänglichen Flüchtlingsschutz gewährt und ihnen einen Integrationsperspektive eröffnet". In Österreich müssten die Flüchtlinge keinen Asylantrag mehr stellen, den heimischen Behörden stünde es laut Innenministerium jedoch zu, sie vor ihrer Aufnahme einem Sicherheitscheck zu unterziehen.

Der Vorschlag Mikl-Leitners sehe vor, dass die Flüchtlinge direkt vom UNHCR an den "Flüchtlings-Hotspots" in Nordafrika ausgewählt würden, sagte ihr Sprecher Hermann Muhr auf APA-Anfrage. Diese sollten dann nach einem fixen Schlüssel, proportional zur Bevölkerungszahl und "unter Rücksichtnahme auf die bereits jetzt vorhandene ungleiche Verteilung", auf die EU-Staaten aufgeteilt werden. Daher ist laut Mikl-Leitner "eine Einigung aller EU-Staaten, sich geschlossen an diesem Projekt zu beteiligen" auch Grundvoraussetzung für "den humanitären Schulterschluss" im Rahmen des von ihr so getauften "Save Lives Project" (Projekt Leben Retten).

Anstrengungen anderer Staaten gefordert

Was die Aufnahme von Flüchtlingen betrifft sieht sich Österreich unter Verweis auf offizielle Zahlen traditionell im Spitzenfeld und fordert vor allem Anstrengungen anderer Staaten. Innerhalb der EU wurden laut UNHCR 2013 relativ zur Bevölkerungsanzahl die meisten Asylanträge in Malta gestellt, nämlich 4,8 pro 1.000 Einwohner. Dahinter lagen Schweden mit 4,6 und Luxemburg mit 3,8 Anträgen pro 1000 Einwohner. Österreich lag mit 2,0 an vierter Stelle.

Warum man statt der Resettlement-Programme nicht einfach die bereits vor Jahren abgeschaffte Möglichkeit, direkt in österreichischen Botschaften im Ausland um Asyl anzusuchen, wieder eingeführt habe? Man sei auch dieser Möglichkeit nachgegangen, so Muhr. Allerdings sei das Botschaftsasyl "technisch kaum umsetzbar und administrierbar". Deshalb sei man zu dem Schluss gekommen, "dass Resettlement die bessere Variante ist, weil das UNHCR bereits dort ist, wo die Flüchtlinge sind. Und die Botschaften nicht."

26 Staaten beteiligt

An Resettlement-Programm beteiligten sich 2012 laut UNHCR-Zahlen 26 Staaten. Die bei weitem meisten Flüchtlinge wurden von den USA aufgenommen, gefolgt von Australien, Kanada, Schweden und Norwegen. Auch Tschechien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Deutschland, Spanien und Großbritannien nahmen Menschen auf. (APA, 5.7.2014)