Wien - So ganz wissen die schwarzen Arbeitnehmervertreter noch nicht, was sie sich von der nächsten Steuerreform wünschen sollen. Im ÖGB und in der Arbeiterkammer trägt die Fraktion Christlicher Gewerkschafter (FCG) den Wunsch nach einer Gegenfinanzierung im Ausmaß von zwei Milliarden durch vermögensbezogene Steuern mit. "Das ist akkordiert", sagte FCG-Chef Norbert Schnedl zum STANDARD.

Folglich stimmte man am Dienstag in den ÖGB-Gremien auch für das gemeinsam mit der Arbeiterkammer ausgearbeitete Steuerkonzept, das eine Entlastung im Ausmaß von 5,9 Milliarden Euro vorsieht und dem einzelnen Steuerzahler zwischen 340 (bei 1000 Euro brutto im Monat) und 3140 Euro (bei einem Bruttomonatsgehalt von 10.000 Euro) bringen würde.

Zur Erklärung die Steuersätze im Modell: Zwischen 11.000 und 20.000 Euro Bemessungsgrundlage sind es 25 Prozent, bis 30.000 Euro 34 Prozent, bis 45.000 Euro 38 Prozent, bis 60.000 Euro 43 Prozent, bis 80.000 Euro 47.000 Prozent und darüber 50 Prozent. Die Negativsteuer, die bei Einkommen unter 11.000 Euro gutgeschrieben wird, soll von 110 auf 450 Euro steigen.

Wenige Stunden zuvor präsentierte der ÖVP-Arbeitnehmerbund (ÖAAB), also Schnedls parteiinterne Heimat, ein eigenes Steuerkonzept. Und zwar ohne Vermögenssteuern. Fixe Steuersätze sind darin nicht mehr vorgesehen, es wird für das gesamte Einkommen ein Durchschnittssatz (zwischen 25 und 43,5 Prozent) ermittelt. Auch der Steuerfreibetrag in Höhe von 7000 Euro für Familien, den schon Michael Spindelegger einforderte, bleibt weiter auf der Wunschliste. Vom Tiroler ÖAAB hagelte es deshalb prompt Kritik an der Parteikollegen, deren Vorschläge seien mit den Gremien nicht abgesprochen worden, kritisierte die Tiroler ÖAAB-Obfrau und Bildungslandesrätin Beate Palfrader.

Gegenfinanzierung vage

Bei der Frage, wie die Steuerreform finanziert werden soll, sind beide Modelle vage. Der ÖAAB verzichtet weitgehend auf konkrete Vorschläge. Der ÖGB skizziert zumindest Eckpunkte: Eine Milliarde soll die Konjunkturbelebung infolge der niedrigeren Steuern bringen, eine weitere der verstärkte Kampf gegen Steuerbetrug, etwa in Form einer Registrierkassenpflicht in der Gastronomie.

Zwei Milliarden glaubt der Leitende ÖGB-Sekretär Bernhard Achitz durch Beseitigung von Steuersonderregelungen, Doppelförderungen und die Beteiligung der Länder holen zu können. Welche Ausnahmen gestrichen werden sollen, ließ er offen. Nur so viel: An der begünstigten Besteuerung des 13. und 14. Gehalts sowie von Überstunden will man nicht rütteln, ebenso wenig am Pendlerpauschale.

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ÖGB-Präsident Erich Foglar (re.) und AK-Chef Rudolf Kaske fordern eine Entlastung im Ausmaß von 5,9 Milliarden Euro.
Foto: apa/neubauer

Unkonkrete Vermögenssteuer

Überraschend unkonkret sind ÖGB und AK bei den Vermögenssteuern. Zwar haben Erbschafts- und Schenkungssteuern weiter "Priorität“, wie AK-Direktor Werner Muhm sagt, festlegen will man sich aber nicht. "Wir wollen uns die Flexibilität nicht nehmen lassen“, formuliert es Achitz. Eine Reform der Grundsteuer wird zwar nicht kategorisch abgelehnt, werde aber "sicher nicht von uns eingebracht“, sagt Muhm, der auch in der koalitionären Arbeitsgruppe zur Steuerreform sitzt.

Geht es nach ÖGB und AK, sollen Steuerreformen künftig geregelter ablaufen. Man wünscht sich eine gesetzliche Bestimmung zum Phänomen der kalten Progression. Was damit gemeint ist: Durch die jährlichen Kollektivvertragsabschlüsse rutschen viele Menschen in die nächsthöhere Steuerklasse, obwohl sie kaufkraftbereinigt gar nicht mehr verdienen.

Maßnahmen gegen Inflation

Der Lösungsvorschlag des ÖGB: Immer wenn die Inflation fünf Prozent übersteigt, müsste die Regierung verpflichtend Vorschläge zur Steuersenkung machen. ÖVP-Steuerverhandler Andreas Zakostelsky ist der Idee nicht ganz abgeneigt. Auch er sei dafür, "die kalte Progression zu bekämpfen, damit die Menschen nicht das Gefühl haben, ihnen bleibt weniger Netto vom Brutto“. Konkrete Modelle will er aber erst am Ende der Verhandlungen diskutieren.

SPÖ-intern hat die Gewerkschaft durchaus Gewicht. Eins zu eins übernehmen wolle man das ÖGB-Modell aber nicht, hieß es im Büro von Staatssekretärin Sonja Steßl, die das Thema koordiniert. Man verspüre aber nun zumindest "Rückenwind“, ließ sie nach dem Ministerrat wissen.

Noch allgemeiner gab sich der Finanzminister. "Ich bedanke mich für die Ideen“, sagte Hans Jörg Schelling. Die Regierung hat sich vorgenommen, bei einer Klausur Ende September das Volumen der Entlastung festzulegen. Zuletzt war man etwas vorsichtiger als ÖGB und AK. ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner sprach von vier Milliarden, Kanzler Werner Faymann (SPÖ) von "vier bis sechs Milliarden“. In ersten Rechenmodellen war die SPÖ auch beim Spitzensteuersatz zurückhaltender als der ÖGB. Die Arbeitnehmervertreter wollen ihn erst ab 80.000 Euro Bemessungsgrundlage ansetzen, Faymann setzte die Grenze im letzten Wahlkampf bereits bei 60.000 Euro an.

Wirtschaft reagiert ablehnend

Beim ÖVP-Wirtschaftsbund sowie der Industriellenvereinigung stieß das ÖGB-Modell auf scharfen Widerstand. "Wann versteht der ÖGB endlich, dass seine Vermögenssteuer-Märchen nur eine Verschiebung der Belastungen, aber keine ehrliche Steuerentlastung bewirken würden?", erklärte Wirtschaftsbund-Generalsekretär Peter Haubner. IV-Präsident Georg Kapsch meinte, Vermögensteuern seien "rein ideologisch, aber sicher nicht ökonomisch motiviert". (Günther Oswald, Elisabeth Kleinlercher, Markus Hametner, derStandard.at, 16.9.2014)