Die Zukunft des Wohnens in Wien liegt in den Dächern, sagen Experten wie der Architekt Walter Stelzhammer. Durch den Ausbau von Dachböden kann die Stadt umweltfreundlich verdichtet werden.

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Wien – Die Zukunft des Wohnens hängt weniger an Mauern und Wänden als an raumplanerischen, gesetzlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Rahmenbedingungen. Das wurde in den Beiträgen der Experten und Praktiker beim Wohnsymposium deutlich.

Für den Architekten Walter Stelzhammer ist die Verdichtung der Stadt die Antwort auf die wirtschaftlichen und ökologischen Herausforderungen unserer Zeit. Man müsse wegkommen von der Vorstellung, dass Wohnzufriedenheit vor allem an der Wohnfläche hängt, betonte der frühere Präsident der Architektenkammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland. "Mein Traum ist die kleinstmögliche Wohnmaschine", sagte er und verwies auf die Arbeit eines japanischen Kollegen, der in der elterlichen Wohnung auf 32 Quadratmetern durch flexible Raumteiler und technische Ausstattung ein hochqualitatives Lebensumfeld geschaffen hat.

"Offen planen"

Und weil Häuser für viele Jahrzehnte gebaut würden und man die Trends der Zukunft nicht alle abschätzen könne, "müssen wir Gebäudestrukturen schaffen, die technisch und planerisch so offen sind, dass sie die Wohnform und Wünsche der nächsten und übernächsten Generation abdecken – damit auch die Enkelkinder gut über uns denken werden", erklärte Stelzhammer. Die große Herausforderung sei dabei, dichter zu bauen oder bestehende Stadtviertel zu verdichten, um öffentliche Ressourcen zu sparen, und dennoch die Privatsphäre des Einzelnen zu sichern. Hier biete der Ausbau der Dachböden besondere Chancen. "Wohnen am Dach soll für eine breite Bevölkerung leistbar und deshalb auch gefördert werden", sagt Stelzhammer.

Die Zukunftsvision von Jörg Wippel, Chef des Wohnbauträgers wvg, ist ein einheitliches Wohn- und Mietrecht, das nicht nur das Leben für Vermieter und Mieter einfacher machen, sondern auch den Wohnbau ankurbeln würde. Denn die jetzige rechtliche Zersplitterung sei eine Gefahr für die immer noch ausgezeichnete Wohnversorgung in Österreich sowie die soziale Durchmischung, die die Bildung von Armen- und Reichenghettos verhindere. "Wir müssen erreichen, dass Wohnungen, die die gleiche Qualität haben, ungefähr nachvollziehbar gleich viel kosten", sagte Wippel. Dafür müsse man nicht nur die bestehenden Gesetze novellieren, sondern ein umfassendes Bundeswohnrecht schaffen, das für alle Wohnbereiche gilt.

Alt-Erlaa als Vorbild

Für Isabella Jandl, Bereichsleiterin für Koordination und Beratung im Wohnservice Wien, und Gesiba-Vorstand Klaus Baringer ist die Kernfrage das Zusammenleben der Menschen. Jandl beschrieb verschiedene Modelle der Mitbestimmung der Bewohner bei der Planung, des gemeinschaftlichen Wohnens wie das Projekt "Ich-Du-Wir-Plus" in Wien-Floridsdorf, das der Vereinsamung der Bewohner entgegenwirken soll, sowie noch weiter integrierter Wohngruppen.

Für Baringer bleibt der von Harry Glück in den 1970er-Jahren für die Gesiba geplante Wohnpark Alt-Erlaa ein Modell für die Zukunft. Die Herausforderung für Bauträger sind die alternde Bevölkerung und der Wunsch der meisten Älteren, möglichst lange in den eigenen vier Wänden zu leben. Dies sei realisierbar etwa durch "intensive Betreuung durch professionelle Partner in einer gemeinsamen Wohnsituation", also betreute Wohngruppen für Senioren, so Baringer.

"Häuslbauer sind effizient"

Für den Meinungsforscher Werner Beutelmeyer vom Market-Institut muss der Wohnbau auf die Stimmungen der Menschen eingehen. Derzeit herrschten viele Ängste vor, aber die Planer müssten vor allem positive Wohnträume erfüllen, und die bestünden laut Umfragen in Licht und Feuer, also Kaminen. Dabei sollte man viel genauer auf die Arbeit von Heimwerkern schauen. Beutelmeyer: "Häuslbauer sind sehr effizient, weil sie mit geringen Mitteln sehr gute Lösungen finden."

Und der Ökonom Michael Wagner-Pinter, Chef von Synthesis Forschung, sieht die Selbstorganisation der Zivilgesellschaft als wichtigste Gestaltungskraft der Zukunft. "Es wird in Zukunft nicht mehr möglich sein, Verwerfungslinien durch den Einsatz öffentlicher Mittel zu lösen", sagte Wagner-Pinter. Konflikte müssten in Zukunft "mit intelligenter Innovation in der zivilen Gesellschaft bewältigt werden. Die Fähigkeit zusammenzuleben ist der wichtigste Faktor für Frieden uns soziale Stabilität."

Die Zukunft des Wohnens in Wien liegt in den Dächern, sagen Experten wie der Architekt Walter Stelzhammer. Durch den Ausbau von Dachböden kann die Stadt umweltfreundlich verdichtet werden. (Eric Frey, DER STANDARD, 22.10.2014)