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Ein Foto von Helena Rubinstein aus dem Jahr 1958 in ihrem New Yorker Büro.

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Ein Vintage-Puderdöschen darf in der Ausstellung natürlich nicht fehlen.

Foto: : Bradford Robotham

Eines der selbstbewussten Credos der knapp 1,50 Meter großen Helena Rubinstein lautete: "Es gibt keine hässlichen Frauen, nur solche, die faul sind." Mit ihrem exzentrischen Geschmack brachte sie eine immense Kunstsammlung zustande, eine eben eröffnete Ausstellung im Jewish Museum New York widmet sich insbesondere diesem Aspekt ihrer Karriere.

Alle Welt - auch ihre Verwandten - hatten sie mit "Madame" anzusprechen. Doch folgt man den Biografien und ihren eigenen Erinnerungen, war Helena Rubinstein immer auch noch die kleine Chaja, die für ihre noch kleineren Geschwister zu sorgen und Angst hatte, alles zu verlieren, was sie im Laufe ihres langen Lebens erreicht hatte.

"Helena Rubinstein": Schon darin liegen Selbstbewusstsein und ein Stück Kosmetik zugleich. Den Familiennamen behielt sie, auch wenn er sich in der dünkelhaften Gesellschaft des frühen 20. Jahrhunderts nicht gut machte. Den Vornamen allerdings borgte sie sich von einer Tante.

Als Chaja Rubinstein wurde sie 1870 im damals österreichisch-ungarischen Krakau geboren, die älteste von acht Töchtern einer jüdischen Familie. Mit 16 sollte sie verheiratet werden. Dem entzog sie sich durch eine überstürzte Abreise, zunächst zu einer Verwandten in Wien.

So weit sind sich ihre Biografen mit ihr einig. Ab dann unterscheiden sich die Darstellungen etwa in Ruth Brandons Ugly Beauty oder Lindy Woodheads War Paint (drastische Titel - wir kommen noch auf sie zurück) von Rubinsteins Erinnerungen in Mein Leben für die Schönheit. Ästhetisierend kann man wohl bezeichnen, wie sie die folgenden Jahre schilderte. Ihr zufolge verbrachte sie die Zeit in Wien mit ersten dermatologischen Studien, bevor sie zu Verwandten nach Australien reiste. In Melbourne eröffnete sie einen Schönheitssalon und verkaufte dort vor allem die "Creme Valaze by Dr. Lykuski, the most celebrated European skin specialist", sehr teuer, weil sie unter anderem "seltene karpatische Kräuter" enthielt. Brandon zufolge war vieles daran "pure snake oil". Die magische Creme enthielt Wachs, Mineralöl, Fett und Essenzen, die den Geruch des Fetts neutralisierten. Es soll keinen Dr. Lykuski gegeben haben und schon gar keine Kräuter aus Good Old Europe. Doch Rubinstein hatte die Formel für die Wirksamkeit ihrer Produkte gefunden: Hausverstand, kulturelle Referenzen bis zum Mythos, ein ordentlicher Preisaufschlag - und sie selbst mit ihrer reinen, hellen Haut und dem dunklen Haar als beste Werbefigur.

Reif für die USA

Rubinstein kehrte nach Europa zurück, wiederum für "Studien unter anderem in Deutschland", und nochmals kurz nach Wien. Das blühende Geschäft in Australien überließ sie einer ihrer Schwestern, denn längst hatte sie Größeres im Auge: London, wo sie ihren ersten Ehemann kennenlernen sollte, Paris, wo sie noch einen "Salon de Beauté Valaze" eröffnete, und schließlich 1915, als der Weltkrieg Europa verheerte, die USA.

Von da an war dem Unternehmen Helena Rubinstein ein scheinbar unaufhaltsamer Aufstieg beschieden. Die amerikanischen Frauen waren reif für den Job der Selbstverbesserung und -verschönerung. Neben Cremen und Make-up wurde ihnen eine Aura von Kunst und Klasse geboten. An der Fifth Avenue luden nicht einfach Geschäfte ein, sondern ganze Häuser im Stil europäischer Salons. Vor allem nach dem Krieg wurde Madame zu einer ernsthaften Kunstsammlerin mit ungewöhnlichen Vorlieben. Mit Schinken, die gerade en vogue waren, stattete sie ihre Läden und ihre Wohnungen aus, aber auch mit Surrealisten und mit afrikanischen und ozeanischen Arbeiten, an denen sie, nicht zufällig, die Darstellungen von Frauen und insbesondere die Masken interessierten. Das Jewish Museum New York zeigt gerade eine Auswahl (bis 22. März). "Wir erzählen die Geschichte der Rubinstein anhand ihrer Kunst", sagte Kurator Mason Klein bei einer privaten Vor-Schau. Auf manchen Fotos ist sie in einer ihrer Lieblingsrollen zu sehen: im weißen Laborkittel vor Tiegeln und Phiolen, als konzentrierte Kosmetik-Forscherin in einem ihrer Labors, die sie "kitchen" oder "cuisine" nannte.

Denn sie war überall. Die kleine Chaja, die die meisten Verwandten in einem ihrer Zweigbetriebe unterbrachte, pendelte zwischen New York, Connecticut, London, Paris und weiteren Städten, in vier besaß sie Wohnungen. Ihr Duell mit der anderen großen Lady der Branche, der Kanadierin Elizabeth Arden, war legendär: ein ähnlicher Aufstieg, ähnliche Prachtgeschäfte.

Die Schlappe, dass die Lehman Brothers Bank 1928 ihre Firma übernahm, machte sie durch eine schlaue Gegenübernahme wenige Jahre später wett. Bis in die Sechzigerjahre regierte sie wieder so autokratisch wie souverän und kurios. In jenen Jahrzehnten hatte Ruth Renée Stiassny die Generalvertretung von HR in Österreich. Ihre Tochter Karin Danielle Degen erinnert sich, wie die ganze Familie bei Madame in Paris eingeladen war. Die Wände ihres Apartments seien mit Bildern so vollgehängt gewesen, "dass Gemälde etwa ihres Freundes Picasso im Abstellraum neben Besen und Staubsauger aufgestapelt waren". Und dann war da noch ihre "besondere Sparsamkeit: Sie hatte nie Geld bei sich und ließ gerne andere für sich zahlen."

Helena Rubinstein starb 92-jährig in New York. Sie musste nicht miterleben, wie ihre Marke langsam verfiel und schließlich bei L'Oréal landete, die sie überhaupt vom amerikanischen Markt nahm. Ausgerechnet L'Oréal, aus verschiedensten Gründen ein alter Widersacher, wie in Brandons Hässlicher Schönheit nachzulesen ist. Das kommt davon, wenn niemand sich ums Geschäft kümmert. (Michael Freund, Rondo, DER STANDARD, 21.11.2014)