Dass man im Falle des französischen Provokateurs Dieudonné die Bezeichnung "Komiker" gerne in Anführungszeichen setzt, sagt einiges über die Fragwürdigkeit eines Mannes aus, der die diskursive Dominanz des Holocaust beklagt und sich als "antizionistischer" Polemiker versteht. Nun sitzt er in Haft, weil er auf Facebook notierte: "Ihr müsst wissen, was mich betrifft, so fühle ich mich heute Abend als Charlie Coulibaly."

In Frankreich wertet man dies als "Verherrlichung von Terrorismus", im ganzen Land wurden fünfzig vergleichbare Verfahren eingeleitet. Dieudonnés Fans sind entsetzt: Meinungsfreiheit gelte offenbar nur für eine Seite, bei unerwünschten Ansichten greife man hingegen hart durch. Zweifellos ist es nicht einfach, in diesen polarisierten Tagen das richtige Maß zu finden. Doch hier bewegen sich Frankreichs Behörden auf heiklem Terrain.

Das Grundrecht einer liberalen Gesellschaft, die freie Rede, darf zu keiner Auslegungssache werden. Der Fall Dieudonné zeigt treffend auf, was der Schriftsteller Teju Cole vor wenigen Tagen im New Yorker geschrieben hat: "Es ist möglich, das Sakrileg zuzulassen, ohne den Rassismus gutzuheißen." Man darf das Recht auf freie Meinungsäußerung nicht mit der Verteidigung der jeweiligen Ideologien verwechseln. Sich mit "Charlie Hebdo" solidarisch zu zeigen ist eine Sache; erst im Fall Dieudonné lässt sich beweisen, wie frei unsere Gesellschaften wirklich sind. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD, 16.1.2015)