Zuerst das Lob: Die Volkspartei hat erkannt, dass sie ein neues Programm braucht. Mit dem Prozess "Evolution Volkspartei" ermöglicht sie auch Nicht-Parteimitgliedern eine Beteiligung, das hat Vorbildwirkung. Bei der Umsetzung der Befragung nach dem Prozess war die ÖVP aber leider nicht mehr mutig, sondern eher feige.

Die Fragen, die gestellt wurden, liefern die Antworten gleich mit. Ein Beispiel ist die Schulpolitik: "Soll sich die ÖVP auch in Zukunft für ein differenziertes Schulsystem starkmachen, in dem die Talente und Potenziale jedes Einzelnen bestmöglich gefördert werden?", heißt es da im Fragebogen. "Na no na ned", wird wohl jeder sagen, und so sahen das auch die ÖVP-Mitglieder. 84 Prozent sind dafür. Die Partei weicht der Frage nach einer gemeinsame Schule der 10- bis 14-Jährigen aus.

Generalsekretär Gernot Blümel sagt, dass diese Frage für die Teilnehmer am Prozess nicht wichtig war und somit auch nicht Teil der Befragung. Dabei ignoriert er die Meinung einiger wichtiger Parteimitglieder, nämlich jene der Landeshauptleute in den westlichen Bundesländern. Allen voran die des Tirolers Günther Platter.

Gerade ein offener Prozess zur Verjüngung des Parteiprogramms wäre ein guter Anlass gewesen, um die leidige Debatte über das Schulsystem ein für alle Mal zu klären. So hat es den Anschein, als ob sich die ÖVP vor der Meinung ihrer Mitglieder fürchtet. (Lisa Kogelnik, DER STANDARD, 6.2.2015)