Die prächtige Weinbrandleuchte kam neu, der Rest war da: Thomas Voburka, Zipi Vogl und Attila Corbaci im Dobersberger Hof.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Kümmelsuppe mit Quargel-Brandteigkrapferln als Einlage und Paprikawurst im Extraschüsserl.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Die Geschichte beginnt im Exil. In der sagenumwobenen Lokalität von Oswald Wiener in Westberlin kellnerierten einst auch Attila Corbaci und Thomas Voburka. Ersterer sollte später einen anderen legendären Ort - das Café Engländer - mitbegründen, bevor er mit Letzterem das vormalige Una im MQ als Corbaci neu erfand.

Die vielleicht wichtigste Rolle in der neuen Folge dieser Saga aber spielt eine Frau, die Künstlerin Zipi Vogl. Sie ist neben Voburka auch dem Waldviertel in Liebe verbunden. Auf der Suche nach einer neuen Bleibe in jener Gegend, wo das nördlichste Österreich ernsthaft einschichtig und weltverloren wird, wurde den beiden auch ein Wirtshaus angeboten, komplett mit Frühstückspension und Gaststube in Vollholzdekor. "Irgendwie war das alles so schiach, dass wir es nehmen mussten", lächelt Voburka.

Das Pensionsgeschäft wurde nahtlos weitergeführt und entwickelt sich wider Erwarten gut. Seit drei Wochen ist auch der wochenendliche Wirtshausbetrieb am Laufen. Die Bude - gerade einmal vier Tische - wird trotz gut bestückten, historischen Tschikautomats rauchfrei geführt.

Bier aus der Flasche

Fassbier gibt es einstweilen noch keines: "Auf den ganz typischen Waldviertler Wirtshaussitzer haben wir es nicht so abgesehen", sagt Corbaci, der im Gegensatz zu Vogl und Voburka nur wochenends in Dobersberg anzutreffen ist. Der auf einem Hügel angelegte Markt liegt knapp vor der tschechischen Grenze und dem erschütternd schönen Renaissancestädtchen Slavonice (einst Zlabings). In der Flasche gibt es neben Weitra-Bieren auch allerhand von drüben - mit etwas Glück könnte das grandiose Bernard sogar schon bald vom Fass gezapft werden. Weine gibt es ein paar gute, und zwar, Waldviertel oblige, nur aus dem Kamptal und der Wachau.

Auch beim Essen ist die Nähe zu Landwirten und Jägern wichtig - wild gesammelt wird selbst. Bei zweieinhalb Tagen Betrieb kann sich so ein Konzept gerade ausgehen - speziell, wenn es wie hier ernsthaft und doch nonchalant gelebt zu werden scheint. Vogl ist Vegetarierin, Voburka eher nicht so. In der Küche, die sie gemeinsam befeuern, erweist sich das als glückliche Verbindung.

Graved Karpf

Kümmelsuppe (im Bild) zum Beispiel, eine milchig würzige Köstlichkeit, fein sauer abgeschmeckt, könnte auch allein bestehen. Mit Quargel-Brandteigkrapferln als Einlage aber wird sie richtig groß. Ob es die Paprikawurst dazu braucht, ist Geschmacksache - die wird aber eh nur nebenbei im Extraschüsserl serviert. Hauchdünne Zellerscheiben, mit roter Rübe gefüllt, werden zu bissfesten Ravioli gefaltet und mit Butter, Walnüssen und einer Idee Bärlauch kombiniert - eleganter geht kaum. Karpfen gibt es, wie sonst Lachs, roh mariniert mit Kren und roter Rübe - eine totale Entdeckung: Wächsern, frisch, animierend, recht rustikal aufgeschnitten halt.

Nicht minder beeindruckend das in cremiger Estragonsauce auf den Punkt gegarte Fischbeuschel, eine ausgewachsene Portion, ideal als Zwischengang für zwei bis drei Esser. Die kurz gebratene Roulade vom Hüferl bekommt eine mollige Rahmsauce aus gedörrten Maronenröhrlingen verpasst, dazu gibt es Wurzelstampf - ganz köstlich und nicht zuletzt auch sprachlich entspannt grenzüberschreitend.

Hinterher auch nur Volltreffer: knusprige Schlosserbuben in göttlich altmodischer Vanillesauce oder überhaupt gleich ofenwarme Buchteln mit Birne und Powidleis. Ja, wie jetzt? Muss man wirklich aus der Stadt kommen, um so eine Waldviertler Küche draufzuhaben? (Severin Corti, Rondo, DER STANDARD, 10.4.2015)