Bild nicht mehr verfügbar.

"Das System bricht nieder", sagt Onkologe Hellmut Samonigg im Hinblick auf das neue Ärzte-Arbeitszeitgesetz.

Foto: AP Photo/Jim Cole, File

Österreich gehört international zu den fünf Ländern mit den besten Behandlungs- und Überlebenschancen für Krebspatienten. Doch jetzt droht durch die neuen Ärzte-Arbeitszeitregelungen in den Spitälern eine massive Verschlechterung der Versorgungsqualität, warnten führende Onkologen bei der Frühjahrstagung ihrer Fachgesellschaft, die noch bis 25. April in Salzburg stattfindet.

Massive Auswirkungen

Die im Rahmen des neuen Arbeitszeitgesetzes für Spitalsärzte in Österreich erfolgende Herabsetzung der Wochen-Arbeitszeit auf 48 Stunden hat laut dem Präsidenten der Österreichischen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (OeGHO), Hellmut Samonigg (MedUni Graz), bereits massive Auswirkungen: "Wir hatten bisher an 200 von 365 Tagen des Jahres Tagesanwesenheit der Ärzte. Jetzt sind es sechs Wochen weniger."

Zwar könnten die Ärzte freiwillig durch ein Opt-out mehr Stunden absolvieren, dies aber nur zeitlich begrenzt. "In England ist dieses Opt-out unbegrenzt möglich. In Österreich ist damit in fünfeinhalb Jahren mit 30. Juni 2021 Schluss", sagt Samonigg. Das Problem der Krankenhausärzte-Dienstzeiten sei von der EU bereits 2003 aufs Tapet gebracht worden. Die österreichischen Politiker hätten das bis zu einem Mahnschreiben der EU und der Androhung von Geldstrafen Anfang vergangenen Jahres ignoriert.

300.000 Patienten

In Österreich wird jährlich bei rund 30.000 Menschen die Neudiagnose "Krebs" gestellt. Mehr als 300.000 Patienten leben mit dieser Diagnose. Die Zahl der Betroffenen wird in Zukunft noch deutlich ansteigen. Diese Kranken sind auf die Spezialisten in den Spitälern angewiesen, weil die Diagnose und Behandlung von Personen mit bösartigen Erkrankungen in bester Qualität praktisch nur an Zentren erfolgen kann. Ein schnelles Anstellen irgendwelcher zusätzlicher Ärzte ist nicht die Lösung.

"Man kann die Spezialisten nicht von irgendwo hernehmen. Die Patienten-Versorgungsquantität und die Qualität werden zurückgehen. Wir können die Patienten auch nicht nach außen (zu niedergelassenen Ärzten) verlagern, sagt Samonigg.

Das aktuelle Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz sei von Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) viel zu spät vorgelegt und auch noch extrem restriktiv formuliert worden. Österreich könnte sich damit in mehrfacher Hinsicht ins Abseits manövriert haben, so der Onkologe. Das Problem betreffe genauso die Lehre und die Forschung. "die in Österreich ein Standortproblem bekommen wird".

"System bricht nieder"

Dass das System "niederbreche" und den Weg in die "Zwei-Klassen-Medizin" ebne, zeige zeige sich heute schon beim Entstehen von ausschließlich auf privater Basis arbeitenden Instituten für die bildgebenden Untersuchungen, zum Beispiel bei den für die Onkologie wichtigen PET-Computertomografie-Untersuchungen.

Der Organisator der Frühjahrstagung der österreichischen Krebsspezialisten mit rund 700 Teilnehmern, der Salzburger Onkologe Richard Greil, verwies auf die extrem leicht zu gefährdende Qualität in der Versorgung von Patienten mit bösartigen Erkrankungen:

So hätte eine OECD-Studie zu den häufigsten Krebserkrankungen in 38 Staaten gezeigt, dass 49 Prozent der Unterschiede in der Krebsmortalität mit der Höhe der Gesundheitsausgaben eines Staates insgesamt im Zusammenhang stehen. "31 dieser Unterschiede sind auf die Prozessqualität, zum Beispiel die Wartezeiten auf Therapien zurückzuführen", so Samonigg. Hier könnten schon einige Wochen mehr Wartezeit die Heilungschancen deutlich verringern. (APA, derStandard.at, 24.4.2015)