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Angesichts von Erfahrungen mit Virus-Ausbrüchen sei es "überraschend", dass die WHO bis August 2014 gebraucht habe, um zu erkennen, dass die bisher schwerste und komplexeste Ebola-Epidemie nur durch eine Mobilisierung sämtlicher lokaler und internationaler Ressourcen einzudämmen sein würde, so die Kritik der Experten

Foto: APA/EPA/AHMED JALLANZO

Genf/Basel - Die Weltgesundheitsorganisation hat bei der Bekämpfung der Ebola-Epidemie mit fast 11.000 erfassten Toten nach Einschätzung unabhängiger Experten kläglich versagt. In einem aktuellen Bericht werfen sie der WHO vor, auf Warnungen vor einer dramatischen Ausbreitung des Ebola-Virus in Westafrika viel zu spät und nicht entschlossen genug reagiert zu haben.

Insgesamt haben sich in Guinea, Liberia und Sierra Leone rund 26.000 Menschen mit dem Virus infiziert, seit die Krankheit im Dezember 2013 ausbrach. Liberia konnte inzwischen von der WHO wieder für ebolafrei erklärt werden. Doch die Welt müsse sich auf neue Ausbrüche einstellen, so die Experten. "Es wird von entscheidender Bedeutung sein, künftig innerhalb der WHO eine gesonderte Einheit für Krisenreaktionen zu haben", heißt es in dem Bericht.

Erstellt wurde der Report unter Leitung von Dame Barbara Stocking von der Universität Cambridge. Stocking war bis 2013 Chefin der Hilfsorganisation Oxfam. Die Expertengruppe war im März 2015 auf Forderung zahlreicher der 194 WHO-Mitgliedstaaten berufen worden. Ihre Empfehlungen werden der 68. Weltgesundheitsversammlung vorliegen, die diese Woche in Genf tagt. Sie ist das höchste Entscheidungsgremium der Organisation.

Vorwurf: Zu späte Reaktion der WHO

Aus dem Expertenbericht spricht immer wieder auch Fassungslosigkeit: Angesichts von Erfahrungen mit Virus-Ausbrüchen sei es "überraschend", dass die WHO bis August 2014 gebraucht habe, um zu erkennen, dass die bisher schwerste und komplexeste Ebola-Epidemie nur durch eine Mobilisierung sämtlicher lokaler und internationaler Ressourcen einzudämmen sein würde. Erst im August hatte die WHO dem Drängen von Organisationen wie Ärzte ohne Grenzen (MSF) nachgegeben und den Internationalen Gesundheitsnotstand ausgerufen.

Spätestens ab Mai 2014 bis weit in den Juli seien bei der WHO immer wieder Warnungen vor dem Ausmaß der Epidemie eingegangen, die jedoch "nicht zu einer effektiven und adäquaten Reaktion" geführt hätten, kritisiert der Bericht. Dadurch seien nichtstaatliche Organisationen, die in den betroffenen Ländern Hilfsprojekte durchführten, "mit einer Situation konfrontiert worden, auf die sie nicht vorbereitet waren".

Reform der WHO notwendig

"Es ist jetzt der historische Moment gekommen, an dem Weltpolitiker der WHO neue Relevanz verleihen und sie in die Lage versetzen müssen, die Führungsrolle im globalen Gesundheitswesen auszufüllen", heißt es mit Blick auf die Weltgesundheitsversammlung. "Für eine WHO, die fähig sein soll, angemessen auf Gesundheitskrisen zu reagieren, werden substanzielle organisatorische Veränderungen nötig sein."

In Erwartung des Expertenberichts hatte die WHO bereits am 20. April schwere Fehler bei der Bekämpfung der Ebola-Epidemie eingestanden. Zugleich versprach sie grundlegende Verbesserungen im Umgang mit Seuchen. "Wir werden unsere Arbeitsweise verändern", erklärte WHO-Chefin Margaret Chan und betonte gleichzeitig, dass die Organisation grundlegend reformiert werden muss.

Weitere Studie zeigt Unvermögen auf

Internationale Experten fordern außerdem einen Finanzierungsfonds über zehn Milliarden Dollar, um Medikamente und Impfstoffe gegen "Krankheiten der Armut" zu entwickeln. Marktgetriebene Forschung und Entwicklung hätten bei der Suche nach Maßnahmen gegen diese weitgehend versagt. Das schreiben Gesundheitsexperten aus Universitäten, Industrie und NGOs in einem Essay, der nun in der Zeitschrift "PLOS Medicine" veröffentlicht wurde. Die Ebola-Krise in Westafrika zeige das Unvermögen der westlichen Welt, rasch auf Epidemien und Gesundheitskrisen zu reagieren.

Als Probleme nennen die Experten Resistenzen von Erregern gegen Wirkstoffe sowie ein Manko bei der Medikamentenforschung gegen vernachlässigte oder neu auftretende Infektionskrankheiten. Epidemien wie der jüngste Ebola-Ausbruch in Westafrika könnten sich deshalb epidemisch ausweiten.

Derartige Krankheiten und Epidemien versprächen der Industrie wenig Profit und seien schwer planbar, betont Swiss TPH-Direktor und Mitautor Marcel Tanner. Somit gebe es ein Innovationsdefizit, weshalb es neue Formen der globalen Finanzierung und Koordination brauche. (APA, 12.5.2015)