Margrit Sulzberger
Kochen für Kinder mit ADHS
AT Verlag
160 Seiten; 20,50 Euro

Wer Bücher schreibt, will sie auch verkaufen. Dafür eignen sich einfache Rezepte für komplizierte Probleme besonders gut. Und die eigene Betroffenheit des Autors oder der Autorin. Mit diesen Ingredienzen kann Margrit Sulzberger in ihrem Buch "Kochen für Kinder mit ADHS" jedenfalls aufwarten. Die Ernährungsspezialistin war selbst Mutter eines hyperaktiven Buben: "Manchmal hatte ich das Gefühl, es hänge allein von seinem Verhalten ab, ob wir einen friedlichen oder einen schrecklichen Tag hatten. Die meisten Tage waren aufreibend – und das ohne Pausen vom zweiten Lebensjahr bis nach der Pubertät", berichtet die Autorin.

Der Lösungsvorschlag: Ernährungsumstellung in Form einer oligoantigenen Diät, also das Weglassen von möglichen Allergenen, die den Stoffwechsel negativ beeinflussen und schwächen können. Das Versprechen: "Das hyperaktive Kind wird von seinen Störungen befreit." Der wissenschaftlichen Nachweis für die These: Fehlt.

Laut derzeitiger Studienlage ist der Zusammenhang zwischen ADHS-Symptomatik und Ernährung nicht abschließend geklärt. Die Deutsche Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung schätzt aber, dass sich bei fünf bis zehn Prozent der betroffenen Kinder durch eine Ernährungsumstellung die ADHS-Symptomatik deutlich reduzieren lässt. In manchen Fällen kann sie auch ein Ersatz zur medikamentösen Therapie sein.

Vor allem zeitaufwändig

Eltern, die eine etwaige nahrungsmittelinduzierte ADHS-Symptomatik zerkochen wollen, müssen vor allem zwei Dinge mitbringen: Zeit und Geduld. Denn das Motto von Sulzberger lautet: "Ran an den Herd und selbst Hand anlegen." Das heißt: Keine Fertigprodukte und damit der Verzicht auf künstliche Geschmacksverstärker, Süßstoffe, Farb- und Konservierungsmittel. Auch Fruchtsäfte und Schokolade in den ersten vier Wochen gänzlich weglassen. Leicht verdauliche Kohlehydrate auf Weizenbasis werden durch Dinkelteigwaren ersetzt. Fisch, Hühner-, Lamm- und Rindfleisch sind erlaubt. Wurst nur dann, wenn sie keine künstlichen Zusatzstoffe enthält. Gemüse: Alles, außer Tomaten. Am besten in Bio-Qualität.

Es ist einfacher, wenn sich neben dem hyperaktiven Kind auch Eltern und Geschwister an den neuen Menüplan halten. Zudem rät Sulzberger dazu, andere Bezugspersonen (z.B. Großeltern oder Lehrer) über die geänderten Essgewohnheiten zu informieren. "Die Ernährungsumstellung sollte zu hundert Prozent eingehalten werden. Naschen macht alle Bemühungen zunichte und bringt alle Verhaltensauffälligkeiten innerhalb weniger Minuten oder Stunden erneut zum Vorschein. Und es dauert oft Tage, bis sich der Stoffwechsel wieder erholt hat", schreibt die Autorin.

Klingt alles ziemlich umständlich. Die mitgelieferten 100 Rezepte sind es zumeist nicht. Frühstück, Mittag- und Abendessen. Vor-, Haupt- und Nachspeisen. Alles da, und klingt zum Teil verdächtig nach dem, was Kindern schmeckt. Konkret: Heidelbeereis, Vanillesauce, Hamburger, Ofen-Pommes-frites, Lasagne, Fleischrouladen, Geschnetzeltes. Aber auch: Selbstgemachtes Brot, Couscous mit Lamm, Zitronennudeln mit Ziegenfrischkäse und Spinat, Risottoküchlein mit Kürbis, Feigenschnitten. Mitunter spannende Rezepte, aber sicher keine Allheilmittel. So bleibt auch weniger Platz für Enttäuschungen, wenn aus dem Zappelphilipp kein sanftes Lamm wird. (Günther Brandstetter, 8.6.2015)