Vielleicht, mag man denken, war es doch nur ein bürokratischer Patzer, der Fehler eines subalternen Konsularbeamten womöglich, dem chinesischen Künstler Ai Weiwei ein langfristiges Visum für Großbritannien zu verweigern. Und am Ende hat London ja doch noch umgeschwenkt.

Sicherlich war es idiotisch, ihn auch noch zu beleidigen mit dem Vorwurf, eine kriminelle Vorstrafe verschwiegen zu haben, wenn das offensichtlich nicht der Fall ist. Doch die Farce um Weiweis England-Besuch deutet auf einen mehr sinistren Hintergrund: London will es sich mit Peking nicht verderben und brüskiert lieber einen Menschenrechtsaktivisten als ein menschenrechtsverletzendes Regime.

Spätestens seit seinem China-Besuch Ende 2013 verfolgt Premierminister David Cameron einen Schmusekurs, der nicht zuletzt wirtschaftlich motiviert ist. Die Regierung erhofft sich eine Stärkung des bilateralen Handels, der nach offiziellen Prognosen bis 2020 ein Volumen von 20 Milliarden Pfund (28,5 Milliarden Euro) erreichen soll.

Erst vor wenigen Monaten nahm man in Washington mit Verärgerung zur Kenntnis, dass Großbritannien sich an der chinesischen Entwicklungsbank AIIB beteiligen will. Kritik an den "ständigen Gefälligkeiten" gegenüber China wurde laut. Die Brüskierung Ai Weiweis geht jetzt selbst der staatstragenden Times zu weit. "Die Versuche der Regierung", hieß es in einem Leitartikel, "Brücken zu den Chinesen zu bauen, sehen verdächtig wie ein Kotau aus." (Jochen Wittmann, 31.7.2015)