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Vor 15 Jahren debütierte Lindsey Vonn (damals Kildow) im alpinen Skiweltcup. Seither hat sie 73 Mal gewonnen. In Abfahrten und Super-G ist die 31-Jährige eine Klasse für sich. Einmal will sie noch bei Olympischen Spielen und einmal gegen Männer antreten.

Foto: AP/Ahn Young-joon

STANDARD: Sie halten nach Ihren beiden Erfolgen in Zauchensee bei 73 Weltcupsiegen. Was macht das Gewinnen noch immer speziell?

Vonn: Jeder Sieg ist speziell. Es ist immer schön, Rennen hintereinander zu gewinnen. Mit Annemarie Moser-Pröll in Abfahrtssiegen gleichzuziehen, war wirklich etwas Besonderes. Das Jahr 2016 läuft bisher sehr gut für mich.

STANDARD: Wie wichtig sind Ihnen Rekorde?

Vonn: Rekorde sind das, was bleibt, wenn ich einmal aufhöre. Ich hoffe, dass sich die Leute an mich erinnern werden.

STANDARD: Können Sie sich an jeden Ihrer Siege erinnern?

Vonn: Ich glaube schon. Ich müsste nachdenken. Wahrscheinlich könnte ich alle auflisten, aber ich habe es noch nie probiert.

STANDARD: Sie wissen, dass Sie gewinnen, wenn Sie im Super-G oder in der Abfahrt solide fahren. Ist das nicht langweilig?

Vonn: Nein. Gewinnen ist nie langweilig. Viele Leute denken, weil ich oft gewinne, ist es einfach. Das ist es nicht. Es ist hart. Ich war am Sonntag nervös, auch am Samstag vor dem zweiten Abfahrtsdurchgang. Jeder Tag bietet mir Herausforderungen, die ich bewältigen muss. Vielleicht ist es für die Zuschauer langweilig, aber für mich als Sportlerin ist es immer eine Herausforderung.

STANDARD: Hätten Sie lieber eine Gegnerin auf Ihrem Niveau?

Vonn: Nein. Außerdem habe ich Gegnerinnen, die auf meinem Niveau sind. Ich fahre einfach gute Läufe. Lara Gut, Tina Weirather und Viktoria Rebensburg sind außergewöhnlich gute Skifahrerinnen. Es gibt eine Reihe anderer aufstrebender Läuferinnen. Cornelia Hütter war in der Abfahrt jetzt ständig auf dem Podium.

STANDARD: Am Samstag haben Sie mit einer Sekunde, am Sonntag mit 0,70 Sekunden Vorsprung gewonnen. Die Lücke zum Rest der Welt scheint nach wie vor sehr groß.

Vonn: Ich fahre schon viel länger als die meisten anderen. Vor vier Jahren habe ich in Lake Louise mit zwei Sekunden Vorsprung gewonnen. Manchmal läuft es so, manchmal bin ich Zweite, Dritte, Vierte. Ich bin nicht unbedingt so viel besser als die anderen. Aber an bestimmten Tagen fahre ich einfach am schnellsten.

Die Speeddisziplinen beherrscht Lindsey Vonn wie keine andere.
Foto: APA/AFP/JOE KLAMAR

STANDARD: Sind Sie selbst Ihre härteste Gegnerin?

Vonn: Manchmal, wenn ich nicht zu hundert Prozent mental fokussiert bin, kann es sein. Dann rufe ich nicht meine beste Leistung ab.

STANDARD: Gewinnen Sie auch, wenn Sie nicht zu hundert Prozent mental fokussiert sein?

Vonn: Manchmal kann ich das. Es ist schwierig, jeden Tag hundert Prozent zu geben, speziell, wenn man jedes Wochenende Rennen fährt. Die meisten Athletinnen fahren zwischen den Rennen heim. Ich nicht. Aber ich versuche, abzuschalten. Ich schaue meine Lieblingsfernsehsendungen, ich spreche mit meiner Schwester. Ich mache einfach Dinge, die mich entspannen.

STANDARD: Wie viele perfekte Läufe sind Ihnen Ihrer Meinung nach schon gelungen?

Vonn: Keiner.

STANDARD: Ist das ein Ziel?

Vonn: Nein. Ich glaube, das ist nicht möglich. Manchmal denkt man, dass man perfekt Ski fährt, aber dann ist man nicht schnell. Wenn man am Limit ist und Fehler macht, hat man die schnellsten Läufe. Ich glaube, das Wort "perfekt" existiert nicht im Skisport.

STANDARD: Also sind Sie keine Perfektionistin?

Vonn: Nein, ich bin nur eine harte Arbeiterin.

STANDARD: Was war die größte Enttäuschung in Ihrer Karriere?

Vonn: Dass ich die Olympischen Spiele 2014 in Sotschi verpasst habe und hintereinander mehrere Knieverletzungen hatte. Das war der härteste Abschnitt meiner Karriere.

STANDARD: Und die Heim-WM 2015, bei der Sie sich mit Bronze im Super-G begnügen mussten?

Vonn: Das war nicht so enttäuschend. Ich bin gut skigefahren. Es war ein sehr anspruchsvoller Berg, es waren für mich schwierige Bedingungen nach den Knieverletzungen. Im Super-G bin ich gut gefahren, ich hatte Pech mit dem Wetter. Und in der Abfahrt war ich nicht wirklich bereit. Es war ein bisschen zu viel für mich. Aber ich glaube nicht, dass ich etwas besser hätte machen können.

STANDARD: Wie lange wollen Sie noch Skirennen fahren?

Vonn: Drei weitere Jahre. Auf jeden Fall will ich die nächsten Olympischen Spiele bestreiten, und dann schaue ich, wie meine Knie halten.

STANDARD: Sie haben darüber gesprochen, gegen Männer antreten zu wollen – wie realistisch ist dieser Plan?

Vonn: Das ist seit ein paar Jahren in meinem Kopf. Realistisch betrachtet muss ich warten, bis ich aufgehört habe. Ich will nicht meine Gesundheit, meine Karriere riskieren, für etwas, das ich nur aus Spaß machen will. Ich will sehen, wie ich in einem Männer-Weltcuprennen abschneiden würde. Am liebsten in Lake Louise. Es wäre nur für ein Rennen.

STANDARD: Haben Sie Pläne für die Zeit nach Ihrer Sportkarriere?

Vonn: Noch nicht. Ich will auf jeden Fall mit meiner Foundation weitermachen. Und sonst? Ich weiß nicht, vielleicht werde ich schauspielern. (Birgit Riezinger, 11.1.2016)