Ingrid Oberkanins und Anita Zieher.

Foto: Reinhard Winkler

Wien – "Alles, was hier gesagt wird, muss unter uns bleiben", beschwört Anita Zieher ihr Publikum. Wer Angst habe, solle lieber nach Hause gehen, gehe es im Folgenden doch um "eine wirklich linke Politikerin", wie man sie heute nicht mehr finde. Und um eine der großen Frauenfiguren des vorigen Jahrhunderts, als die Sozialdemokratie offenbar noch ein Abenteuer war: Rosa Luxemburg.

Seit 2006 ist es dem von Zieher mitbegründeten Portraittheater ein Anliegen, in biografischen Stücken bedeutende Frauen vorzustellen. Drei Jahre vor ihrem hundertsten Todestag ist aktuell die Kapitalismuskritikerin und Revolutionärin an der Reihe, ihr Denken und Tun offenzulegen.

Angriffig, anstrengend und geheimnisvoll verkörpert Zieher die "rote Rosa" in der Drachengasse. Die Haare hinten gesteckt, die Bluse leger, ist sie eine brave Denkarbeiterin im Geiste von Marx und Engels. Energisch allein schon der Blick. Und dann erst die Worte!

Gemeinsam mit Regisseurin Sandra Schüddekopf hat Zieher eine von Originalzitaten gespickte Ich-Erzählung gebaut, die Luxemburgs Leben in vier Anläufen aufzudröseln versucht: biografische Eckpunkte, Privatleben, theoretisches Werk, politische Karriere. Wie untrennbar jene allerdings miteinander verbunden sind, zeigt sich flugs: Schwärmt Rosa als Studentin noch für den Rausch der Liebe, wird ihr bald jener des Denkens bedeutender. Sie geht 1898 eine Scheinehe ein, um aus der Schweiz, wo sie studierte, nach Berlin zu übersiedeln. Hier arbeitet sich die gebürtige Polin als Rednerin auf Parteitagen hoch.

Während einer Kindheitserkrankung hat sie sich das Briefeschreiben angewöhnt, jetzt publiziert sie unter mehreren Pseudonymen aufsehenerregende Artikel, "herrlich angespornt" von den Problemen der Zeit. Dafür inhaftiert, erklärt sie wiederum: "Mein Innerstes gehört mehr meinen Kohlmeisen als den Genossen", und legt Gefängnishofgärtlein an. Diesen Widersprüchen und der Unterstützung von Perkussionistin Ingrid Oberkanins dankt der zuweilen referathafte Abend seine Spannung. (Michael Wurmitzer, 1.3.2016)