Das typische Streckhaus im Burgenland hat zwei Fenster an der straßenseitigen Fassade, davor steht ein Baum, daneben befindet sich die Hofeinfahrt.

Skizze: Armin Karner

Burgenland-Kroaten malten gerne den Sockel oder die Fensterkreuze blau an, um die uniformen Häuser etwas individueller zu gestalten.

Foto: Rainer Schoditsch

Irgendwie lag die Frage ja in der Luft. "Sind Sie ein ...itsch?", stellt sie Johann Seedoch aber erst am Ende unseres Gesprächs. Eigentlich möchte der ehemalige Leiter des burgenländischen Landesarchivs und Spezialist für ältere Geschichte wissen, ob ich Burgenland-Kroate bin, weil ich mich für deren typische Häuser interessiere.

Ich bin zwar ein "...itsch", aber kein Burgenland-Kroate, noch nicht einmal ein Architekturjournalist, ganz im Gegenteil, nicht Im- sondern Mobilienschreiber. Es ist vielmehr die reine Neugier, die auf die Spur der Häuser der Burgenland-Kroaten führte, weil diese Gebäude, inzwischen fast alle niedergerissen, von der Straße her gleich aussehen: Da ist die schmale Hausseite mit zwei Fenstern, daneben die Einfahrt und oft ein blauer Sockel.

Doch weit gefehlt. "Das typische Haus der Burgenland-Kroaten gibt es nicht", erklärt Günther Stefanits, der Leiter des Heimatarchivs in der Gemeinde Hornstein/Voristan. Denn die Kleinbauernhäuser standen schon lange, als die Kroaten um 1535 im Burgenland angesiedelt wurden. Das Einzige, was die Kroaten vielleicht gemacht haben, war, den Sockel oder Fensterrahmen blau einzufärben, um den an sich einheitlichen Häusern einen persönlichen Schmuck zu geben.

Leibeigene Arbeiter

Mit dem Ausdruck eines Nationalismus hat das übrigens gar nichts zu tun, ist Johann Seedoch überzeugt. "Es war damals nicht wichtig, ob man Deutscher, Ungar oder Kroate war. Was die Bewohner dieser Häuser vereinte, war die Armut", erklärt der Historiker, und dass sie Leibeigene waren.

In ganz Pannonien, bis hinunter nach Serbien, fand man damals diese Streckhöfe, die alle gleich aussahen: fünf Meter breit, 20 Meter lang, daneben ein Tor. Straßenseitig zwei Fenster, davor ein Baum, erklärt Klaus-Jürgen Bauer, Architekt in Eisenstadt, der sich diesen Häusern ganz besonders intensiv widmet. "Im vorderen Teil, zur Straßenseite hin, befand sich die Gute Stube, die von der Küche aus, die gleich dahinter lag, mitgeheizt wurde."

In der Guten Stube saß man nach getaner Arbeit zusammen, dort schliefen die Eltern und die Kinder, dort bahrte man aber auch die Verstorbenen auf. Dann schlief die Familie im Kabinett, das auf der anderen Seite der Küche lag. Gab es Nebengebäude, wurden sie in der Längsachse angebaut. Der Haupteingang führte zur Küche hinein, wo der geschmiedete Herd zum Kochen und Heizen stand.

Gleiches Muster

Der Baum war übrigens kein Schmuckstück, sondern eine Brandschutzmaßnahme, weil man ihn, wenn ein Haus brannte, mit Wasser bespritze, um die Ausbreitung des Feuers zu verhindern.

"Man kann sagen, dass der Streckhof die wichtigste Erfindung des burgenländischen Dorfes war", meint Klaus-Jürgen Bauer im Folder "Die Zukunft burgenländischer Streckhöfe", den er für "Architektur RaumBurgenland" kuratierte.

Auf Basis dieses Streckhofes entstanden ganze Dörfer nach dem gleichen Muster. An einem Ende der Hauptstraße stand die Kirche, am anderen das Amtsgebäude. Dazwischen, "Mann an Mann, in unendlicher Gleichförmigkeit, die Streckhöfe."

Entstehungsgeschichte

Erklärungen, wonach solche Höfe als Ausdruck einer "rassischen Kultur" oder als "typisch ungarisches Kulturdenkmal" dargestellt werden, betrachtet Klaus-Jürgen Bauer als widerlegt. "Die überraschende Gleichartigkeit des Bauplanes über viele Ethnien hinweg lässt eher darauf schließen, dass die politische Ordnungsmacht dieses Großraumes – die Habsburger in Wien – nach dem Abzug der Türken hier bewusst eine staatlich verordnete Haus- und Verwaltungslandschaft geschaffen haben."

Spannend ist auch seine Erklärung, warum die Häuser allesamt rund fünf Meter breit gebaut wurden. Der Grund dafür liegt in den Föhren. Die waren für die Herrscher zum Heizen nicht geeignet und wurden den Bauern überlassen, damit sie ihre Dachstühle bauen konnten. Die Länge des Holzes ergab dann diese Hausbreite.

Die Häuser bauten die Bauern selbst, die Fassaden wurden von Bautrupps hochgezogen. Raum für Individualisierungen gab es kaum. Ein Fenster oder zwei, das konnte man sich aussuchen, ebenso in welcher individuellen Farbe man den Sockel des Hauses einfärbelte.

Kaum noch Streckhöfe

Gebaut wurde jeweils mit den vorhandenen Materialien. Am Leithaberg also mit Stein, im Südburgenland mit Lehm und am Neusiedler See mit Schilf. Bis zur Bauernbefreiung 1848 stellte das Baumaterial die Herrschaft zur Verfügung.

Diese Unfreiheit der Bauern, die in diesen Häusern lebten, ist wohl auch einer der Gründe dafür, dass es heute kaum noch derartige Streckhöfe gibt, obwohl sie bis in die 1950er-Jahre gebaut wurden.

Ein weiterer ist wohl, dass der Grundriss dieses Häusertyps den heutigen Anforderungen nur mehr schlecht entgegenkommt. Während in Wien überproportional viele alte Häuser stehen, sind sie im Burgenland fast alle niedergerissen worden.

Aktueller Kontext

Klaus-Jürgen Bauer ist einer jener burgenländischen Architekten, die sich nicht nur um den Erhalt der Häuser bemühen, sondern sie auch in einen aktuellen Kontext setzen wollen. Geschafft hat das etwa Architects.Collective mit dem Weinloft auf dem Weingut Sattler in Tadten.

Klaus-Jürgen Bauer realisierte 2014 das Turmhaus in Wulkaprodersdorf. Das Artelier Kaitna & Smetana versuchte beim Gut Purbach "historisch wertvolle Strukturen hervorzuheben, ohne jedoch alten Bestand vorzutäuschen". Bekannt ist auch der Taubenkobel von Johann Schandl in Schützen am Gebirge.

Es sind also gar nicht die "...itschs", die sich um die Bewahrung der Geschichte bemühen. Vielmehr sind die modernisierten Streckhäuser heute keine Kasernen mehr, sondern echte Luxusimmobilien. (Guido Gluschitsch, 17.3.2016)