Seit einiger Zeit müssen Jeanshosen jede Menge Erwartungen erfüllen. Sie sollen alt, abgescheuert und lädiert aussehen, und sie sollen passgenau die Knie und manchmal auch die Oberschenkel freilegen. Das reicht aber nicht mehr aus. Jeanshosen sehen jetzt auch um den Saum herum so aus, als seien sie eigenhändig abgeschnitten worden: Nichts geht mehr ohne baumelnde Baumwollfäden.

Bloggerin Kiki Albrecht von The Random Noise.
Foto: Levi’s® Wedgie Streetstyle by EyeCandy

Die New Yorker Modebloggerin Leandra Medine mag auf ihrem Blog 2013 noch zu einem DIY aufgerufen haben – heute müssen wir für den perfekten Franselsaum nicht mehr selbst zur Schere greifen. Die Hersteller sind den Verbrauchern eilfertig zuvorgekommen. Der schiefe Saum wird wie die Löcher im Knie mittlerweile mitgeliefert. Meist enden diese Hosenmodelle in 7/8-Länge knapp über dem Knöchel.

Das verwundert wenig. Denn erstens hat sich der Fußknöchel neben der nackten Schulter zum Vorzeigekörperteil gemausert, und zweitens manifestiert sich in den losen Baumwollfäden jene unbestimmte Sehnsucht nach dem Selbstgemachten, dem Unperfekten und dem Unangepassten.

Dass ausgerechnet die, die sich dem Modediktat verpflichtet fühlen, sich eine Spur Rebellion anziehen wollen? Eh klar. Und dass das rebellische Moment in Bodennähe nur dem versierten Beobachter ins Auge springt? Noch besser.

Eine dieser Hosen, die in den letzten Monaten den modischen Widerstandsgeist aufs Schönste verkörperte, war denn passenderweise auch eine waschechte Designerjeans. Und zwar eine vom Pariser "Antilabel" Vetements: Sie ist aus verschiedenen Denimstücken zusammengesetzt, unten scheinen die Längen nicht aufeinander zu passen, sie kostet über tausend Euro – und trotzdem wollten alle Modeverrückten genau dieses, ein unangepasstes Modell, das allen anderen voraus war.

Die Nachahmungen dieses speziellen, stufenartig abfallenden Hosensaums ließen natürlich nicht auf sich warten. In besonderen Fällen lohnt sich der Griff zur Schere nämlich doch. Das findet übrigens auch Vetements. Das Pariser Label postete auf dem Instagram-Account das Schnipselbild eines Fans. (Anne Feldkamp, 23.3.2016)

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Foto: Citizens of Humanity