Vier Regierungsmitglieder hat Christian Kern ausgetauscht. Sonja Hammerschmied wird Bildungsministerin, Jörg Leichtfried übernimmt das Infrastrukturministerium, Thomas Drozda wird Kulturminister und Muna Duzdar Staatssekretärin. Wer sind die neuen im SPÖ-Team von Christian Kern?

Sonja Hammerschmid, bisher Rektorin der Vetmed-Uni, wird Bildungsministerin.
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Bildungsministerin: Netzwerkerin Hammerschmid schafft den Sprung in die Politik

Daraus, dass sie gerne in der Politik mitmischen würde, hat Sonja Hammerschmid nie einen Hehl gemacht. "Ja, Politik reizt mich, ich bin ein sehr politischer Mensch", sagte sie einmal.

Einen ersten Schritt in diese Richtung machte Hammerschmid, als sie im Jänner dieses Jahres als erste Frau den Vorsitz der Universitätenkonferenz übernahm. Nun wird die Rektorin der Veterinärmedizinischen Universität Wien neue Bildungsministerin und folgt damit Gabriele Heinisch-Hosek nach, die in den Nationalrat wechselt.

Die 47-jährige Hammerschmid, die als gut vernetzt gilt, hat schon bisher eine ehrgeizige Laufbahn hingelegt, dabei drang sie nicht selten in Männerdomänen ein. Nach ihrem Biologiestudium an der Universität Wien entschied sie sich gegen eine Karriere in der Forschung. Jahrelange Experimente, die dann doch scheiterten, empfand sie als frustrierend. Also ging sie ins Management. Von 2002 bis 2010 leitete sie das Biotech-Programm Life Science Austria, das später in der Austria Wirtschaftsservice aufging. Ab 2008 im Unirat, wurde Hammerschmid schließlich 2010 Rektorin der Veterinärmedizinischen Universität Wien.

Dass Hammerschmid für die SPÖ ein Ministeramt übernimmt, liegt nicht gerade auf der Hand. In der Hochschulpolitik hat sie bisher durchaus Positionen vertreten, die eher der schwarzen Reichshälfte zuzuordnen sind. In einem Interview mit dem STANDARD hat sie den offenen Hochschulzugang als "naiv" und "unrealistisch" bezeichnet. Zudem ist sie eine Befürworterin von Studiengebühren, ein rotes Tuch für viele SPÖ-Politiker. Die Österreichische Hochschülerschaft (ÖH) sorgt sich schon jetzt um die Bildungspolitik und fordert von Hammerschmid ein Bekenntnis zum offenen Hochschulzugang.

Arbeiterkind für Studiengebühren

Dass auch Kinder mit weniger hoch gebildeten Eltern eine akademische Ausbildung machen können, sieht Hammerschmid in ihrer eigenen Bildungskarriere belegt. Ihr Vater war Kraftwerkzeugmechanikermeister und ihre Mutter Assistentin in einem Sanitärbetrieb. Obwohl sie ein "Arbeiterkind" war, hat sie einen akademischen Abschluss sowie ein Doktorat geschafft. Begründet hat Hammerschmid dies unter anderem mit ihrem Vater. Dieser habe ihr und ihrem Bruder das nötige Selbstvertrauen mitgegeben.

Als Präsidentin der Universitätenkonferenz konnte Hammerschmid in ihrer kurzen Amtszeit noch nicht viel bewegen. Mit dem Unibudget im Finanzrahmen bis 2020 war sie jedenfalls unzufrieden und auch enttäuscht von Wissenschaftsminister und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner. Der hat in einer Stellungnahme an den STANDARD nur Lob für die neue Bildungsministerin übrig: "Die bisherige Zusammenarbeit mit Sonja Hammerschmid war ausgezeichnet. Sie ist eine erfahrene Wissenschaftsmanagerin, die Sacharbeit immer über Parteifragen gestellt hat. Ich gehe davon aus, dass wir diesen konstruktiven Arbeitsstil auch weiter fortsetzen werden."

Zu Schulpolitik hat sich Hammerschmid bisher kaum geäußert. Die Mühlviertlerin hat eine Hauptschule besucht, ein Gymnasium gab es in der näheren Umgebung nicht. "Wir lebten die Gesamtschule mit gleichen Bildungschancen, wenngleich damals niemand den Begriff verwendete oder an die damit verbundene politische Ideologisierung dachte", schreibt sie in einem Kommentar. Sie sei aber nicht vom Schultyp geprägt worden, sondern von ihren Lehrern, die "Schlüsselpersonen" im Bildungssystem seien. Das klingt dann schon eher nach SPÖ-Linie.

Auf die neue Ministerin wartet jedenfalls die Umsetzung einer Bildungsreform, auf die sich SPÖ und ÖVP eigentlich schon im November geeinigt haben. Offen ist etwa, ob und in welcher Form die Gesamtschule in Modellregionen getestet wird und wie die Schulverwaltung reformiert wird. Eine große Baustelle ist die wachsende Risikogruppe der österreichischen Schüler, die nicht lesen können.

Wenn sie Zeit dafür findet, geht Hammerschmid gerne mit ihrem Mann mountainbiken, ihr Kleid für den Opernball hat sie selbst genäht. (Lisa Kogelnik)

Lange in Brüssel, dann Kurzzeit-Landesrat, nun Infrastrukturminister: Leichtfried.
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Infrastrukturminister: Jörg Leichtfried: Linker aus der Obersteiermark wird Minister

Das Geld is ned weg, es hat nur wer anderer", rief der frischgebackene Landesrat Jörg Leichtfried 2015 bei der SPÖ-Regionalkonferenz Bruck-Mürzzuschlag in den Saal. In seiner halbstündigen Rede, die später tausendfach im Netz geteilt wurde, spannte Leichtfried den Bogen von seiner Oma, einer Kreisky-Anhängerin, bis zu Steuerflüchtlingen à la Starbucks, die ihr "Gschloder in China verkaufen" oder gefälligst in der EU Steuern bezahlen sollten. Leichtfried ermahnte seine Genossen, dass man nicht ohne Grund Wahlen verliere, dass man wieder Mitgefühl für die vielen steirischen Arbeitslosen, aber genauso für die griechische Mutter, die nicht wisse, wie sie Essen für ihre Kinder bezahlen solle, und den Vater, dem das tote Kind am Meeresstrand angeschwemmt wurde, fühlen müsse. Erst dann werde man wieder Wahlen gewinnen, so der Landesrat.

Leichtfrieds Rede hatte nichts Reißerisches, ließ aber, ob ihrer Emotionalität und Kraft viele aufhorchen. Wo kam der Genosse her? Zuletzt hatte der 1967 in der einstigen Arbeiterstadt Bruck an der Mur geborene zwölf Jahre im EU-Parlament verbracht. 2009 und 2014 wurde er dort auch zum Delegationsleiter der SPÖ gewählt. Während Kollegen aller Parteien ihm großen Fleiß attestierten, vergaß ihn die Öffentlichkeit daheim in der Steiermark fast.

Jurist bei der Arbeiterkammer

Leichtfried hatte in Graz das Studium der Rechtswissenschaften 1994 mit dem Magisterium abgeschlossen. Beruflich verschlug es ihn erst in die Arbeiterkammer Steiermark als Rechtsreferent, außerdem arbeitete er in Bruck im Bürgerservice. Politisch begann der Werdegang von Jörg Leichtfriedbei der Jungen Generation (JG), der SPÖ-Jugendorganisation, die den Ruf hat, weniger intellektuell zu sein als die Sozialistische Jugend (SJ). Von 1994 bis 2000 war er der Chef der JG Steiermark von 2000 bis 2002 Bundesvorsitzender der JG Österreich.

Dass Leichtfried im parteiinternen Vergleich eher links steht, ist kein Geheimnis. Einer seiner letzten Veranstaltungen, der er zu Hause beiwohnte, bevor er 2004 nach Brüssel ging, war eine Podiumsdiskussion bei der JG Bruck. Auf dem Podium saßen er und eine gewisse Sahra Wagenknecht.

derStandard.at

Zurück in der Steiermark, handelten einige politische Beobachter Leichtfried als möglichen Nachfolger des scheidenden Landeshauptmannes Franz Voves. Leichtfried hatte die nötige politische Erfahrung, war aber für das Land noch gänzlich unverbraucht. Doch es kam anders, und der deutlich jüngere und unerfahrene, aber an der Oberfläche auch deutlich ehrgeizigere Michael Schickhofer, der von Voves schon länger als Kronprinz aufgebaut worden war, wurde Landesparteichef und stellvertretender Landeshauptmann.

Leichtfried wurde im Juni 2015 Landesrat für Verkehr, Umwelt, Energieeffizienz und Sport. In nicht einmal einem Jahr kniete er sich vor allem in das Verkehrsressort hinein. Still, aber voll und ganz, wie es Mitarbeiter beschreiben – auch Samstag und Sonntag. Verkehrspolitik sei für ihn auch Umwelt- und Wirtschaftspolitik, erklärte Leichtfried erst vor wenigen Tagen bei einer Pressekonferenz, bei der er mit seinem Vorgänger als Minister, Gerald Klug, Milliardeninvestitionen ins über Jahrzehnte stiefmütterlich behandelte Schienennetzwerk des Landes präsentierte.

Seine Vorgängerin Kristina Edlinger-Ploder (ÖVP) hatte mit dem Ausbau des S-Bahn-Netzes über die Grazer Grenzen hinaus begonnen, Leichtfried führte das energisch weiter. Beim Koralmtunnel rechnet man Anfang 2017 mit dem Durchschlag. Zudem wird die Strecke Graz-Maribor innerhalb des Verbundes geprüft. Für den Standort Steiermark sind beide Unterfangen von großer Bedeutung. Dass Leichtfried mit dem bisherigen ÖBB-Chef Christian Kern gut kann und ihn schon lange kennt, dürfte nicht nur für seine Projekte als Verkehrslandesrat von Vorteil gewesen sein.

Leichtfried ist verheiratet und hat einen 15-jährigen Sohn. Der leidenschaftliche Liverpool-Anhänger läuft privat regelmäßig, segelt mit Freunden, am liebsten in Kroatien, und liest gerne und viel. (Colette M. Schmidt)

Nicht ganz unumstritten: Thomas Drozda, Ex-Chef der Vereinigten Bühnen.
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Kanzleramtsminister Thomas Drozda: Theatermanager und Kanzlerkenner

Selbst der Zuspruch aus allerhöchsten Künstlerkreisen (u. a. Michael Köhlmeier, Josef Winkler und Ulrich Seidl) konnte Josef Ostermayer am Ende nicht mehr im Amt halten. Als langjähriger Weggefährte von Werner Faymann stolperte der Kanzleramtsminister – zuletzt zuständig für Kultur, Medien, Verfassung und die Regierungskoordination – nicht über Inhaltliches, sondern über die machtpolitische Schicksalsgemeinschaft, die ihn einst so weit gebracht hatte.

Eine solche Aneinanderkettung dürfte es mit Thomas Drozda und Christian Kern zwar nicht geben. Dennoch verbindet auch das neue Zweiergespann im Kanzleramt mehr als nur das Alter (beide 50). Mit dem erfahrenen Theatermanager Drozda holt sich der neue Bundeskanzler einen politischen Fast-Quereinsteiger nach seiner Fasson in die Regierung: Wirtschaftskompetenz im staatsnahen Bereich, gepaart mit SP-Stallgeruch seit Jugendjahren.

Wie auch Kern hat der gebürtige Oberösterreicher seine politische Sozialisierung in den Nachwuchsorganisationen der SPÖ erfahren. Nach dem Studium der Betriebs- und Volkswirtschaft in Linz wurde Drozda Geschäftsführer beim SJ-Blatt Trotzdem. Es folgte ein Zwischenstopp in der Abteilung für volkswirtschaftliche Studien der Nationalbank, ehe ihn Bundeskanzler Franz Vranitzky 1993 als wirtschafts- und kulturpolitischen Berater in sein Kabinett holte. Mit nur 31 Jahren stieg er dort zum Leiter der Kunstsektion auf. Den Posten behielt er auch nach dem Kanzlerwechsel zu Viktor Klima im Jahr 1997.

Architekt der Bundestheater

Maßgeblich beteiligt war Drozda in dieser Zeit an der Ausgliederung der österreichischen Bundestheater (Staatsoper, Volksoper, Burgtheater), die zu einer rechtlich eigenständigen Holding mit vier Tochtergesellschaften umorganisiert wurden. Ausgerechnet um diesen Konzern wird sich Drozda als neuer Kulturminister mit besonderer Hingabe kümmern müssen: Im Sog des 2013 ans Licht der Öffentlichkeit gekommenen Finanzdebakels am Burgtheater war auch die Holding wirtschaftlich ins Straucheln gekommen. Josef Ostermayers Reparaturmaßnahmen – von der Strukturreform bis zur Erhöhung der Subventionen – gilt es nun abzusichern.

Pikant: Von 1998 bis 2008 war Thomas Drozda als kaufmännischer Geschäftsführer selbst für die Finanzen des Burgtheaters zuständig. Seine damalige Stellvertreterin und Nachfolgerin hieß Silvia Stantejsky. Sie gilt als Hauptbeschuldigte in laufenden Verfahren zur Causa Burgtheater. Vorwürfe, dass es bereits unter Drozdas Leitung zu Unregelmäßigkeiten gekommen sei, erhärteten sich nicht. Bei seinem Wechsel zu den Vereinigten Bühnen Wien (VBW) im Jahr 2008 galt er als erfolgreicher Sanierer, der ein Haus auch unter budgetären Engpässen solide führen kann.

Obwohl eng mit Wiens Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny befreundet, begann für Drozda als VBW-Generaldirektor aber schon bald ein Mehrfrontenkampf ums Geld. Wiederholt bekrittelte die Opposition die im europäischen Vergleich hohen Summen, die Wien in die Förderung des Musicals steckt. Zwar parierten Drozda und Mailath diese Anwürfe stets mit Verweis auf strukturelle Alleinstellungsmerkmale, wie fixe Orchester. Dennoch musste Drozda unter dem Eindruck der Wirtschaftskrise auch Kürzungen hinnehmen.

Unter Erklärungsnot kam der VBW-General, dessen Vertrag 2018 ausgelaufen wäre, erst im vergangenen Herbst. Kritisiert worden war der Umstand, dass Vergaben für Bühnenbilder und Kostüme rechtlich nicht astrein ausgeschrieben würden. Drozda bestritt dies: Man habe das Vergabegesetz stets eingehalten – eine juristische Frage.

Dass Thomas Drozda dem Lockruf in die Politik mit Jubelrufen gefolgt ist, darf bezweifelt werden. Warum er mit der Politik breche, erklärte er schließlich vor einem Jahr den "Oberösterreichischen Nachrichten": "Höchste Exponiertheit bei einem Sozialprestige gegen null, das würde ich weder wollen noch aushalten." Abwartend zeigten sich die Ostermayer-Unterstützer aus der Künstlerschaft: "Die Latte liegt hoch." (Stefan Weiss)

Muna Duzdar ist neue Staatssekretärin.
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Staatsekretärin Muna Duzdar: Religion wurscht, Integration und Sprache wichtig

Ist es nicht wurscht, welche Religion er hat?" Diesen Satz schrieb Muna Duzdar vor wenigen Tagen auf Facebook. Die rote Wiener Politikerin nahm damit auf die Kür von Sadiq Khan zum Bürgermeister von London Bezug. Khan, Sohn pakistanischer Einwanderer, ist der erste Muslim in dieser Funktion. "Ist ja okay, wenn es erwähnt wird", schreibt Duzdar, "aber das als die große Schlagzeile zu bringen, ist mehr als übertrieben. Diese Religionisierung der Politik nervt mich einfach."

Heute, Mittwoch, wird Duzdar, Tochter palästinensischer Einwanderer, als neue Staatssekretärin angelobt – als erste Muslimin in Regierungsfunktion. Geht es nach der 37-Jährigen, soll Religion aber eine Randnotiz bleiben.

Duzdar, die als Mandatarin von der Hinterbank des Wiener Gemeinderats in die Regierung wechselt, ist zuletzt wegen ihrer klaren Aussagen bei für die SPÖ heiklen Fragen aufgefallen. So zeigte sich Duzdar verärgert darüber, dass sich ihre Partei vor der Bundespräsidentenstichwahl nicht zu einer Wahlempfehlung für Alexander Van der Bellen durchringen konnte. "Es geht jetzt um alles, und es geht darum, Norbert Hofer zu verhindern."

Noch vor den Protesten gegen Werner Faymann am 1. Mai prangerte sie dessen "jahrzehntelange Inseratenpolitik" an. Sie forderte eine "personelle Erneuerung" und hielt fest: "Nur die wenigsten möchten weiterhin Werner Faymann als Parteivorsitzenden." Duzdar, die aus dem Wiener Bezirk Donaustadt kommt und als Anwältin arbeitet, stellte sich auch gegen ihren Bezirkschef Ernst Nevrivy, der sich für Faymann und dessen Asyllinie starkmachte.

Duzdars Aufstieg war keinesfalls vorgezeichnet. Sie wuchs zweisprachig auf, wobei zu Hause fast nur Arabisch gesprochen wurde. Mit der deutschen Sprache hatte sie große Probleme. Erst Nachhilfe in Deutsch und Mathematik machten einen Wechsel ins Gymnasium möglich. Duzdar studierte Rechtswissenschaften und Internationales Recht in Wien und an der Sorbonne in Paris. In Frankreich arbeitete Duzdar, die 2001 ihre politische Karriere als Bezirksrätin startete, auch für den Parti socialiste. Ab Jänner 2010 war Duzdar, die in einer Lebensgemeinschaft lebt, drei Jahre lang Bundesrätin, ehe sie in den Gemeinderat wechselte. Sie setzt sich für Integration mittels Sprache sowie Bildungschancen ein, nennt aber auch Außenpolitik als Schwerpunkt ihrer politischen Arbeit. Derzeit ist sie Präsidentin der Palästinensisch-Österreichischen Gesellschaft. (David Krutzler)