Eine sowjetische Zwangsarbeiterin der Steyr-Daimler-Puch AG während des 2. Weltkriegs.

Foto: Julia Vogt

Steyr – Der Weg führt durch das historische Wehrgrabenviertel. Vorbei an den denkmalgeschützten Zeugen früher Industrialisierung. Imposante Bürgerhäuser, deutlich kleinere Arbeiterhäuser, renovierte Fabrikshallen, das smaragdgrüne Wasser des Steyr-Flusses in Sichtweite. Man ist als Besucher hier rasch geneigt, dem Industriecharme des 19. Jahrhunderts zu erliegen. Doch mit dem eigentlichen Ziel des Wehrgraben-Besuches ist auch die Arbeitsromantik rasch verflogen.

An der Adresse Wehrgrabengasse 1 befindet sich in einer ehemaligen Messerfabrik das Museum Arbeitswelt – und dort widmet man sich derzeit mit der internationalen Ausstellung "Zwangsarbeit im Nationalsozialismus" der Stiftung "Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora" einem dunklen Kapitel der jüngeren Geschichte.

20 Millionen Zwangsarbeiter

20 Millionen Menschen aus fast allen Ländern Europas mussten während des Zweiten Weltkriegs Zwangsarbeit im Deutschen Reich oder in den besetzten Gebieten leisten. Über 60 repräsentative Fallgeschichten bilden den Kern der Ausstellung. Sie berichten von der entwürdigenden Arbeit politisch Verfolgter in Chemnitz bis hin zur mörderischen Sklavenarbeit von Juden in der besetzten Sowjetunion und dem Zwangsarbeiteralltag auf einem Bauernhof in Niederösterreich.

Eingearbeitet wurde für den exklusiven Österreich-Aufenthalt der Wanderausstellung aber auch die eigene Geschichte: Man betritt mit dem Museumsareal nämlich historisch schwer belastetes Terrain. Das heutige Museum Arbeitswelt ist in einem ehemaligen Betriebsgebäude der Steyr-Daimler-Puch AG untergebracht. Der Rüstungskonzern – bis 1934 Steyr-Werke – gehörte zu den größten im Dritten Reich und erfuhr in dieser Zeit die umfangreichste Expansion seiner Geschichte.

Außenlager des KZ Mauthausen

1944 hatte er etwa 50.000 Beschäftigte an verschiedenen Standorten. Unter massivem Einsatz von zivilen Zwangsarbeitern, Kriegsgefangenen und KZ-Häftlingen wurden Panzer, Gewehre und andere Kriegsgüter produziert. In Steyr entstand auf Initiative des Generaldirektors und SS-Standartenführers Georg Meindl in Münichholz eines der ersten Außenlager des Konzentrationslagers Mauthausen.

Die Ausstellung ist in fünf Kapitel unterteilt. Vor allem besticht die Schau durch die didaktische Aufarbeitung: An den Wänden veranschaulichen großflächige, beleuchtete Fotos das Schicksal der Zwangarbeiter. Mit 450 Dokumenten und einer Medienstation mit Zeitzeugenberichten wird versucht, das Unfassbare zu fassen: das System Zwangsarbeit als integraler Bestandteil der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Arbeit als "Adelsprädikat" für die selbsternannte "Herrenrasse", Arbeit als Erziehungsmaßnahme für die "Volksgemeinschaft", Arbeit als Mittel zur Vernichtung von "Untermenschen".

Vor allem aber verdeutlicht die Ausstellung durch das umfangreiche Material aus Privatsammlungen: Zwangsarbeit war kein Geheimnis, sondern ein weitgehend öffentlich stattfindendes Verbrechen. (Markus Rohrhofer, 23.5.2016)