Für Bildungsministerin Sonja Hammerschmid (SPÖ) ist nicht alles, was ihre Vorgängerin mit der ÖVP paktiert hat, in Stein gemeißelt.

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Hammerschmid: "Der Nationale Bildungsbericht ist eine wunderbare Grundlage, um die Bildungsreform zu bewerten und diskutieren."

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"Mit dem Gestaltungsspielraum verlagert sich auch die Verantwortung hin zu den Schulen", sagt die neue Bildungsministerin zu Autonomie.

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STANDARD: Sie sagen von sich selbst: "Ich will gestalten." Sehen Sie Anzeichen dafür, dass die ÖVP im Bildungsbereich dazu bereit ist?

Hammerschmid: Davon gehe ich aus. Wir haben dasselbe Ziel: die beste Bildung für unsere Kinder.

STANDARD: Jetzt sollen Sie etwas umsetzen, das Sie nicht mitverhandelt haben. ÖVP-Staatssekretär Harald Mahrer findet die Bildungsreform "fast geil". Sie auch?

Hammerschmid: Die einzelnen Reformpakete und der Nationale Bildungsbericht sind eine wunderbare Grundlage, um die Bildungsreform zu bewerten und zu diskutieren – und das werden wir jetzt eingehend tun. Bei einzelnen Teilen kann ich vieles davon mittragen.

STANDARD: Gehen wir es der Reihe nach durch, jene Teile, die 1:1 umgesetzt werden können und jene, wo sie noch Diskussionsbedarf orten. Stichwort Modellregionen für die gemeinsame Schule: Ist das so gut und ausreichend?

Hammerschmid: Ich will die Kinder in den Mittelpunkt stellen. Alleine, wenn man an die Sprachthematik denkt, ist die Förderung der Jüngsten das zentrale Anliegen. Hier wird mein Fokus liegen.

STANDARD: Dazu kommen wir noch. Wie ist Ihre Meinung zu den Modellregionen?

Hammerschmid: Es ist gut, mal hinzuschauen, wie das funktionieren kann, und dann zu evaluieren.

STANDARD: Soll es dabei bleiben, dass nur 15 Prozent der Schulen pro Schultyp und Bundesland mitmachen können?

Hammerschmid: Die Details müssen wir mit der ÖVP besprechen.

STANDARD: Aber die 15 Prozent wurden ja bereits im November gemeinsam paktiert?

Hammerschmid: Das Paket ist beschlossen, die Umsetzung offen.

STANDARD: Werden Sie sich dafür einsetzen, dass die 15-Prozent-Hürde fällt?

Hammerschmid: Ich muss mit diversen Partnern sprechen. Termine in den Regionen sind bereits eingetaktet. Vorarlberg will etwa als gesamtes Bundesland Modellregion sein.

STANDARD: Was soll da eigentlich erprobt werden, was nicht schon europaweit bekannt ist?

Hammerschmid: Die Dinge sind nie 1:1 übertragbar von einer Region auf die andere.

STANDARD: Bei der Schulverwaltung haben sich SPÖ und ÖVP auf Bildungsdirektionen geeinigt. Können Sie uns den Vorteil erklären?

Hammerschmid: Spannend, dass sich immer alle für die strukturellen Themen interessieren. Mein Hauptanliegen sind die Kinder.

STANDARD: Das betrifft auch die Kinder. Weil es jüngst verhandelt wurde, wäre es interessant, wie Sie dazu stehen.

Hammerschmid: Wichtig ist, dass die Strukturen schlank, einfach, transparent und effizient sind.

STANDARD: Wird das mit den Bildungsdirektionen umgesetzt?

Hammerschmid: Da gibt es viele Konzepte, etwa vom Rechnungshof, der OECD und aus dem Nationalen Bildungsbericht.

STANDARD: Die sprechen sich dafür aus, dass der Bund für alle Lehrer zuständig sein soll.

Hammerschmid: Nochmal, die Fakten liegen vor, wir müssen schauen, was sich am besten bewährt.

STANDARD: Wenn Sie den Rechnungshof etc. zitieren, dann sympathisieren Sie nicht unbedingt mit einer Verländerung der Lehrer?

Hammerschmid: Meine Devise ist: effizient, schlank, einfach, transparent.

STANDARD: Vier von zehn Volksschülern können nicht sinnerfassend lesen. Was gilt es zu tun?

Hammerschmid: Wir müssen schauen, dass die Kinder schon im Kindergarten ein entsprechendes Level an Deutschkenntnissen haben. Aus den Mitteln für den Integrationsbereich wird es zusätzliche Pädagoginnen für die Sprachförderung in den Schulen geben. Da sind viele Maßnahmen geplant.

STANDARD: Mangelnde Deutschkenntnisse betreffen ja nicht nur Flüchtlingskinder. Reichen die Maßnahmen Ihrer Vorgängerin Gabriele Heinisch-Hosek aus?

Hammerschmid: Die Maßnahmen brauchen Zeit, um greifen zu können.

STANDARD: Sie wollen sich besonders um die Jüngsten kümmern. Wann kommt das zweite verpflichtende Kindergartenjahr?

Hammerschmid: Dazu kann ich jetzt wenig sagen. Der Kindergarten ist der Kompetenzbereich meiner Kollegin Sophie Karmasin. Wünschenswert wären natürlich zwei Kindergartenjahre vor Schuleintritt. Das würde viele Probleme lösen.

STANDARD: Sie wollen Teile des Bildungsbudgets mithilfe eines "Chancenindex" verteilen. Wie soll das genau funktionieren?

Hammerschmid: Dafür werden vier Komponenten relevant sein: der Migrationshintergrund, ob ein Kind Deutsch als Alltagssprache benutzt sowie der Bildungsstand und der sozioökonomische Hintergrund der Eltern. Ich möchte die Integrationsmittel entlang dieser Kriterien vergeben.

STANDARD: Für Integration wurden heuer zusätzlich 64 Millionen Euro veranschlagt, das Bildungsbudget umfasst 8,2 Milliarden. Muss man für Chancengerechtigkeit nicht viel mehr Geld mittels Index verteilen?

Hammerschmid: Es braucht aber auch eine gewisse Basisfinanzierung, damit nicht bestimmte Schulen ins Bodenlose fallen.

STANDARD:Ist die verschränkte Ganztagsschule noch Ziel für die SPÖ? In der Bildungsreform steht davon kein Wort.

Hammerschmid: Die Ganztagsschule, vor allem die verschränkte Form, ist uns definitiv ein Anliegen. Das versuchen wir auszubauen.

STANDARD: Im Rahmen der Bildungsreform?

Hammerschmid: Auch dieses Thema wird man noch einmal diskutieren müssen.

STANDARD: Stichwort Schulautonomie: Was soll die umfassen?

Hammerschmid: An den Universitäten habe ich die Autonomie als sehr positiv erlebt. Ob das Personalhoheit war, oder Schwerpunktsetzungen in Forschung und Lehre. Mit dem Gestaltungsspielraum verlagert sich auch die Verantwortung hin zu den Schulen. Autonomie muss von einem gut aufgesetzten Qualitätsmanagement begleitet werden. Wenn ich Entscheidungen so weit delegiere, muss ich sie auch kontrollieren können.

STANDARD: Soll eine solche Qualitätskontrolle der Schulen für Eltern öffentlich einsehbar sein?

Hammerschmid: Unbedingt. Wir alle verwenden Steuergeld, da ist Transparenz oberstes Gebot.

STANDARD: Die Ergebnisse der Zentralmatura werden demnächst präsentiert, aber nur auf Länderebene. Sollen die Daten künftig auch auf Schulebene veröffentlicht werden?

Hammerschmid: Darüber muss ich mit den Experten reden, Transparenz ist jedenfalls immer gut. Den Datenschutz müssen wir natürlich mitbedenken.

STANDARD: Zur Umsetzung Ihrer Ideen brauchen Sie starken Rückhalt von Gewerkschaft und Partei. Haben Sie den?

Hammerschmid: Wenn wir am selben Ziel arbeiten, nämlich der besten Bildung für unsere Kinder, werden wir uns auf gute Lösungen einigen. Mir spielt in die Hände, dass ich völlig neutral auf die Dinge schauen kann. Auch an die Uni bin ich von außen gekommen.

STANDARD: Als Rektorin waren Sie eine Befürworterin von Studiengebühren und Zugangsbeschränkungen. Die SPÖ war bisher dagegen. Wie überzeugen Sie die Genossen?

Hammerschmid: Ich sehe das weniger als eine ideologische Frage. Wenn wir keine qualitätsvolle Ausbildung mehr garantieren können, dann haben vor allem sozial Schwächere ein Problem. Studierende aus finanziell stärkeren Familien können ins Ausland ausweichen.

STANDARD: Die ÖVP will neue Zugangsbeschränkungen einführen, wird das mit Ihnen jetzt möglich?

Hammerschmid: Das ist nicht mein Ressort. Ich hab genug zu tun mit den Bildungsagenden. Und da will ich große Schritte machen. (Lisa Kogelnik, Karin Riss, 3.6.2016)