Phnom Penh – Archäologen haben die Überreste riesiger Städte aus dem 7. bis 12. Jahrhundert in der Nähe der Tempelanlage Angkor Wat in Kambodscha ausgemacht. Der umfangreiche Fund der komplexen urbanen Strukturen mitsamt aufwendigen Wassermanagementsystemen und sogar Umgehungsstraßen mache wohl eine Neuschreibung der Khmer-Geschichte notwendig, berichten die Forscher im "Journal of Archaeological Science": Das Städtesystem könnte das größte Imperium der damaligen Zeit gebildet haben.

Am Berg Phnom Kulen nordöstlich von Angkor Wat etwa sei bislang nur ein kleiner Teil der Siedlung Mahendraparvata bekannt gewesen. Nach den neuen Daten dürfte diese aber flächenmäßig so groß wie Kambodschas Hauptstadt Phnom Penh gewesen sein. Auch die Siedlungen um Sambor Prei Kuk und die Tempelanlage Preah Khan seien deutlich umfangreicher, komplexer gebaut und dichter bewohnt gewesen als gedacht, so die Wissenschafter um Damian Evans von der Ecole francaise d'Extreme-Orient in Paris.

Im Bild: Überreste der Tempelanlage Preah Khan

Foto: APA / AFP / Cambodian Archaeological / Damian Evans

Der aus Australien stammende Forscher hatte für seine Arbeit in Kambodscha einen ERC-Grant des Europäischen Forschungsrates erhalten. In seinem Projekt nutzte er mit Kollegen neue Lasermessungen (Lidar) aus der Luft, mit deren Hilfe Strukturen unter der dichten Vegetation des Dschungels identifiziert werden können. "Wir haben ganze Städte unter den Wäldern entdeckt, von denen bisher niemand wusste", so der Forscher.

Im Bild: Überreste der Tempelanlage Preah Khan

Foto: APA / AFP / Cambodian Archaeological / Damian Evans

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Viele der bereits bekannten Kanalsysteme seien komplexer als bisher vermutet, sagte Evans der britischen Zeitung "The Guardian". Die Art der Wasserversorgung galt als Erfindung aus der Angkor-Blütezeit zwischen dem 9. und 13. Jahrhundert. "Aber hier haben wir ein Beispiel von einem höchst ausgeklügelten Wassermanagementsystem, das womöglich Jahrhunderte älter ist", so Evans.

Im Bild: Tempelanlage Angkor Wat rund 240 Kilometer nordwestlich der kambodschanischen Hauptstadt Phnom Penh

Foto: Reuters/CHOR SOKUNTHEA

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Die Aufnahmen der Forscher entstanden im Jahr 2015 und umfassten eine Fläche von insgesamt 2000 Quadratkilometern.

Grafik: Siedlungen und Tempelanlagen in der untersuchten Region

Grafik: Damian Evans/ Journal of Archaeological Science JAS/ NASA/ DPA

Evans sagte, man habe keine Anhaltspunkte für die Theorie gefunden, dass die Hochkultur nach einer Invasion aus dem heutigen Thailand mit einer Massenmigration Richtung Süden zu Ende ging. Hinweise auf die Vertreibung Hunderttausender Einwohner Richtung Süden gebe es derzeit nicht. Womöglich habe sich vielmehr ein langsamer Niedergang wegen Dürre oder des Zusammenbruchs der Wasserversorgung ereignet.

Im Bild: Ruinen der Tempelanlage Banteay Top

(APA, red, 12.6.2016)

Foto: APA / AFP / Cambodian Archaeological / Damian Evans