Aufseiten der WGKK sieht man keinen Engpass bei den bildgebenden Verfahren (im Bild ein MRT-Gerät), sondern eine Fehlsteuerung. Die Radiologen sehen sehr wohl einen Kapazitätenmangel.

Foto: APA/H

Wien – In der Debatte über Wartezeiten auf einen Termin für Magnetresonanz- und Computertomografie-Untersuchungen (MRT und CT) war es nur wenige Wochen etwas ruhiger. Die Diskussion geht nach kurzer Atempause in die nächste Runde, diesmal befeuert von der Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK).

Deren Obfrau Ingrid Reischl sagte Mittwochabend bei einem Hintergrundgespräch vor Journalisten, es brauche eine bessere Steuerung in dem Bereich. So bedürfe es nicht nur einer Staffelung der Patienten nach Dringlichkeit für MRTs und CTs, für die Kasse solle auch die Möglichkeit bestehen, Kapazitäten zwischen bildgebenden Instituten innerhalb Wiens zu verschieben.

Dann könnte die Gebietskrankenkasse beispielsweise mehr Leistungen beim billigsten Anbieter einkaufen, was derzeit nicht möglich sei, da der bis 2018 ausverhandelte Gesamtvertrag, über den die Versorgung geregelt ist, das verunmögliche, weil immer alle Institute Änderungen zustimmen müssten. Der Zwang zum Gesamtvertrag sei abzuschaffen, fordert Reischl. Dieser ist im Sozialversicherungsgesetz (ASVG) vorgeschrieben. "Der Gesetzgeber sollte dieses Gesetz ändern", sagt Reischl.

Oberhauser hatte damit gedroht

Die WGKK-Chefin skizziert damit ein Szenario, mit dem zuletzt auch Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (SPÖ) gedroht hatte, als sie eine Lösung für wochenlange Wartezeiten für Patienten mit Krebsverdacht forderte. Sollte keine Lösung gefunden werden, hatte die Ministerin den bildgebenden Instituten Ende Juni ein Gesetz in Aussicht gestellt, das der Sozialversicherung die Möglichkeit gibt, mit jedem Institut einzeln Verträge abzuschließen.

Arbeitsguppe soll über dringliche Fälle entscheiden

Wenige Tage später kündigten die Vertreter der bildgebenden Institute an, für dringende Fälle zusätzliche Kapazitäten bereitzustellen. Über die Dringlichkeit der Fälle solle eine Arbeitsgruppe entscheiden. Für beides sei man in Niederösterreich in guten Gesprächen und wolle die konkrete Lösung am Ende des Sommers vorlegen, sagt Franz Frühwald, Radiologe und Vertreter seiner Kollegen in der Wirtschaftskammer, dem STANDARD.

Radiologe: Arbeiten "im Grenzkostenbereich"

Eine Abschaffung des Gesamtvertrags kommt für Frühwald "überhaupt nicht infrage". "Das würde die Institute ausrotten", sagte der Radiologe. Anders als die WGKK sieht er die Institute für die Kassen "ausschließlich im Grenzkostenbereich" arbeiten – weitere Tarifsenkungen seien nicht möglich. Frühwald verweist auf andere Länder, in denen CTs und MRTs deutlich mehr kosten würden – etwa Israel, Dänemark, Italien und England. Von der WGKK heißt es dazu, dass derlei Zahlen schwer vergleichbar seien.

Pro MRT ergeben sich laut Krankenkasse Kosten zwischen 141 und 171 Euro, beim CT zwischen 93 und 114 Euro. "Diese Tarife sind gewinnbringend", sagt Reischl. Die WGKK habe im Vorjahr 21,4 Millionen Euro für MRT-Untersuchungen ausgegeben.

"Wir sind Weltmeister"

Auch die Krankenkasse sucht den internationalen Vergleich. "Wir sind Weltmeister bei der Anzahl der MR-Untersuchungen", stellt Reischl mit Blick auf OECD-Zahlen fest, wonach im Jahr 2012 auf 1.000 Einwohner rund 120 Untersuchungen kamen, womit Österreich an der Spitze lag. Gut ein Viertel davon werde in Wien gemacht. Hier zweifelt wiederum die Radiologenseite die Vergleichbarkeit der Zahlen an – einige Länder würden den privaten Bereich nicht hineinrechnen, Österreich schon, sagt Frühwald.

Reischl ist überzeugt, dass man in Österreich "eine Fehlsteuerung, keinen Engpass" habe. In Wien würden sechs der 18 Institute bei CTs nicht die Deckelung erreichen, bei MRTs vier von 14. "Selbstverständlich gibt es einen Engpass", zeigt sich wiederum Frühwald überzeugt.

Jahrelanger Streit

Seit Jahren läuft ein Tauziehen zwischen den Sozialversicherungsträgern und den Instituten, vertreten von der Wirtschaftskammer. Dabei geht es ums Geld und darum, wie es zu verwenden ist: Die Summen, die die Sozialversicherungsträger bezahlen, sind seit 2009 gedeckelt und steigen weniger stark als die Nachfrage nach CTs und MRTs. Kassenpatienten müssen oft wochenlange Wartezeiten in Kauf nehmen.

Rückenschmerzzentrum geplant

Bei Rückenschmerzen will Reischl künftig überhaupt weniger Menschen zum MRT gehen sehen: Nach deutschem Vorbild werde man im Herbst für Wien ein Rückenschmerzzentrum ausschreiben, wo Menschen umfassend und interdisziplinär untersucht werden sollen. Orthopäde Ulf Marnitz, der sechs große Zentren dieser Art in Deutschland aufgebaut hat und auf Einladung der WGKK zum Pressegespräch nach Wien kam, sagt, man lege in diesen von ihm aufgebauten Instituten großen Wert auf das Arzt-Patient-Gespräch und die Untersuchung. Erst wenn ein Patient auch nach sechs Wochen noch Rückenschmerzen habe, werde ein bildgebendes Verfahren angewandt, da ein solches in 90 Prozent der Fälle nicht zielführend sei. Ausnahmen seien Schmerzen einhergehend mit Warnsignalen wie etwa Lähmungserscheinungen.

Abwarten bei unspezifischem Schmerz

Frühwald verweist hier auf die "Orientierungshilfe Radiologie", nach der man in den bildgebenden Instituten handle. Dieser Orientierungshilfe zufolge ist bei unspezifischem Kreuzschmerz (bei rund 85 Prozent der Kreuzschmerzen zutreffend) innerhalb der ersten vier bis sechs Wochen nach Beschwerdebeginn "keine bildgebende Diagnostik indiziert". "Das ist also bereits Status quo", sagt er. (Gudrun Springer, 21.7.2016)