Sommerabend im Hinterhof: der improvisierte Gastgarten von Patrick Friedrichs Gasthaus Figl in Wolfpassing.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Kalbsroastbeef mit eingelegten Roten Rüben, marinierten Eierschwammerln und Rucola sowie einer Blütendekoration.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Von außen gibt sich der Figl mit seiner erbsensuppengrünen 1970er-Fassade und dem schmalen Eingang sehr bescheiden. Aber die inneren Werte: prachtvolle Doppelwirtshausbänke, eine original erhaltene Schank, ein Extrazimmer mit alten Thonet-Stühlen und Wirtshaustischen. Und, dieser Tage unverzichtbar, ein Hinterhofgarten, der wie aus der Zeit gefallen wirkt.

Der ist zwar fugendicht mit Betonziegeln ausgelegt und nicht von extremer Lauschigkeit, aber er vermittelt auf so charmante Weise dörfliche Sommerträgheit, dass man sich gleich wohlfühlt. Dass mit Blick auf den Wäscheständer der Nachbarn gegessen wird, die den Hof auch als Parkplatz nutzen, darf man als Teil lebendigen dörflichen Lebens registrieren. Dafür gibt es baumhohe Oleanderbüsche in voller Blüte. Und, immer ein gutes Zeichen: Der Sous-Chef huscht durch die Szenerie, um vom wuchernden Kräuterbeet allerhand Kapuzinerkresse, Kerbel, Weinraute zu pflücken, die sich alsbald auf den Tellern wiederfinden. Und Blüten, die werden hier sehr gern über das Essen gestreut.

Von Schnitzel bis Wassermelonengazpacho

Patrick Friedrich ist seit Frühling Pächter und Küchenchef im Figl. Der Mann kochte die vergangenen Jahre an wechselnden Adressen (erst Floh, dann bei Andreas Kurz und im Orlando di Castello in Wien, zuletzt beim Weingut Hutter bei Krems), in der Selbstständigkeit aber will er zuallererst als "Dorfwirt" für die Wolfpassinger bestehen. Schankachtel um 1,80 Euro, Butterschmalz-Schnitzel um 9,70 – die Grundvoraussetzungen stimmen. Auch dass es ziemlich gute Burger (mit Brioche-Bun, Schmorzwiebel und hausgemachter Cocktailsauce) zu Kampfpreisen gibt, scheint die Dorfjugend bereits mitgekriegt zu haben.

Aber in Wahrheit kocht der Mann ein bissl zu gut, als dass er sich nur darauf beschränken könnte. Wassermelonengazpacho mit Ofenparadeisern etwa klingt ad hoc nicht nach einem mehrheitsfähigen Quotenbringer, dabei sollte man sich die kühle Suppe nicht entgehen lassen: erfrischend, zart fruchtig, keineswegs süß und mit Minze obendrauf ein Tonikum gegen die Schwüle. Auch das Kalbsroastbeef mit knackig eingelegten Roten Rüben, marinierten Eierschwammerln und Rucola (siehe Bild) schmeckt eher nach noblem Land- als nach Wirtshaus – wenigstens ist die Portion richtig üppig. Und erst das in Butter sautierte Kalbsbries mit Steinpilzen, das auf Melanzanicreme serviert wird: mehr als beachtlich, als schneller Imbiss zum Achtel an der Schank aber wohl zu anspruchsvoll, selbst um milde 9,60 Euro. Kleines Gulasch gibt es aber auch.

Mehr Saft!

Bei den Hauptspeisen zeigt Friedrich mehr Zug zum Volkswillen: Molliges Paprikahendl in pikant- fruchtiger Sauce oder tadellose Grammelknödel auf kurz gedünstetem Specksauerkraut und Bratensaft sind zweifelsfrei mehrheitsfähig, auch wenn die Sauce beim Hendl zu knapp bemessen war, um wirklich alle Nockerln durchzusafteln. Fisch kann der Mann auch, die Lachsforelle auf Waldstaudekorn-Risotto ist saftig, knusprig gebraten, der Risotto ideal bissfest und cremig, dank Julienne von kurz blanchierten Zuckerschoten auch knackig und frisch.

Auf Ribiselwein darf man sich hier nicht freuen (schon gar keinen schwarzen), dabei würde das einem Wirten in dieser Gegend Nostalgiepunkte sichern. Die Zeit des "Ribisler" scheint hier, in seiner eigentlichen Heimat, endgültig dahin zu sein. Aber was soll's: Das Bier ist von Schremser, die Weinkarte mit würdigen Vertretern vom nahen Wagram und aus dem Krems- und Kamptal ausgestattet – damit lässt es sich beim neuen Dorfwirten schon sehr gepflegt versumpern. (Severin Corti, RONDO, 29.7.2016)