Wien – Es stank den Wienern zum Himmel. "Wien ist die versch...enste Stadt Europas", sagte einmal der Kommunalpolitiker Franz Karl, in den 1990er-Jahren "Hundstrümmerl-Beauftragter" der Stadt. Der Satz fiel vor 15 Jahren. Inzwischen wurden 3.453 Gackerl-Sackerl-Spender aufgestellt, dutzende Kampagnen gefahren, 150 Hundezonen eingerichtet und Wastewatcher auf die Straßen geschickt, die 36 Euro kassieren, wenn Bürger die Hinterlassenschaft ihres Haustiers nicht wegräumen.

Trotzdem ist heute nicht alles eitel Wonne im Zusammenleben zwischen Hund und Mensch, wie DER STANDARD bei einem Rundblick anlässlich des Welttags des Hundes herausfand.

Weniger Strafzettel wegen Häufchen

Um das Hundstrümmerlproblem ist es ruhiger geworden. Laut Bilanzen der MA 48 schritten die Wastewatcher in Wien zuletzt seltener wegen Kots ein. 2012 wurden 997 Strafzettel ausgeteilt, 2015 waren es 509. Petra Chiba vom Verein Mentor4Dogs, der sich für ein friedliches Miteinander von Zwei- und Vierbeinern in der Stadt einsetzt, fordert mehr Kontrollen durch Wastewatcher, vor allem dort, "wo Leute gehen und Kinderwagen fahren", statt in den Hundezonen. Nicht jedes Frauchen oder Herrchen sei einsichtig, wenn es ums Entfernen von Fäkalien geht. Manch einer meine, dass die Stadt dafür zuständig sei, er bezahle schließlich eine Abgabe für sein Tier, sagt Chiba.

3.453 Ständer mit Sackerln fürs Gackerl stehen in Wien, weitere in Orten im Umland. Häuferl liegenzulassen ist in Wien mit 36 Euro, in Eisenstadt mit 72 Euro Strafe belegt.
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Dass in Wien Haufen liegenbleiben, könne auch mit deren Größe zusammenhängen, gibt Chiba zu bedenken. Bei großen Hunden komme man mit den Sackerln aus den Spendern der MA 48 nicht zurande – obwohl diese seit 2010 stärker und breiter sind. Häuferl liegenzulassen sei trotzdem "nicht okay". Es gebe aber Tierbesitzer, die – ums Hundehalterimage besorgt – sogar zurückgelassenen Kot anderer wegräumen.

Hundezone statt Wachdienst

In Klosterneuburg vermutete man vor zwei Jahren, so mancher führe sein Tier nun bewusst außerhalb Wiens äußerln. 2014 ermöglichte das Land Niederösterreich den Gemeinden, Bußgeld wegen Hundedrecks einzuheben. Im Herbst 2015 führte Klosterneuburg 35 Euro Strafe ein, ein privater Wachdienst (die "Trümmerlwache") kontrollierte – doch kaum jemand ließ sich erwischen. Vor wenigen Tagen wurden die Maßnahmen wieder abgeschafft – und eine Hundezone eröffnet.

In Mödling ärgert sich Bürgermeister Stefan Hintner (ÖVP) über Wiener, die ihr Auto am Waldrand parken und dann mit dem Hund im Wald verschwinden. Der Ortschef beklagt "ein Problem mit Hundeverbiss beim Wild", weswegen zwei- bis dreimal im Jahr scharf kontrolliert werde. Wegen Hundstrümmerln wird in der Stadt nicht gestraft. Die Probleme damit seien massiv zurückgegangen; zusätzlich klären ausgebildete Hundeführer als Dogwatcher ehrenamtlich über das richtige Verhalten auf.

Schwechat zögert seit Jahren

Auch in Schwechat wird für Hundehaufen "noch" kein Geld kassiert, wie ein Stadtsprecher sagt. Schon im April 2014 dachte man darüber nach. Man habe gegen das Problem viele Sackerlspender aufgestellt, heißt es.

In Wien könnten die Probleme mit Hunden offiziellen Angaben zufolge abnehmen, denn die Zahl der registrierten Hunde ist 2015 erstmals seit langem stark gesunken. Knapp 55.700 waren laut MA 6 (Rechnungs- und Abgabenwesen) gemeldet – rund zehn Prozent weniger als 2014, als die meisten (61.861) verzeichnet wurden. Bundesweit geht der Trend hinauf: Von 325.000 Hunden 2014 stieg die Zahl auf aktuell 407.000.

In Wien könnten die Probleme mit Hunden offiziellen Angaben zufolge abnehmen, denn die Zahl der registrierten Hunde ist 2015 erstmals seit langem stark gesunken.
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Viele Tiere nicht gemeldet

Die Dunkelziffer wird in Wien allerdings als hoch eingeschätzt. Bis zu doppelt so viele Hunde wie registriert sollen dort leben. "Dass es eine hohe Dunkelziffer gibt, glaube ich gern", sagt Katja Wolf, Sprecherin des Österreichischen Kynologenverbands (ÖKV), Dachverband heimischer Hundeverbände. Sie sieht den Grund im hohen Kontrollaufwand, der für die Einhaltung der in Österreich geltenden Chippflicht besteht. Diese sei "eine sehr gute Sache, auch im Sinne des Schutzes der Tiere".

Wer Tiere nicht anmeldet, umgeht die Hundeabgabe. 72 Euro sind in Wien pro Jahr für den ersten Hund zu bezahlen, für jeden weiteren 105 Euro. Das sei nicht für jeden leistbar, meint Chiba von Mentor4Dogs. Es könne vorkommen, dass nur ein Hund registriert wird, weitere nicht.

Hier 40 Euro, da 100 Euro Jahresabgabe

Auch in Graz ist die Abgabe für den ersten Hund mit 60 Euro geringer als für weitere (90 Euro). In Eisenstadt liegt sie bei 40 Euro. Wer dort Hundehaufen liegenlässt, riskiert 72 Euro Strafe. In Innsbruck sind für reguläre Hunde seit 1. Jänner fast 100 Euro Jahresabgabe zu liefern. In St. Pölten, wo derzeit fast 3000 Hunde gemeldet sind und an der Einwohnerzahl gemessen die meisten Hundehalter leben, sind regulär für Hunde 45 Euro zu bezahlen, für jene "mit erhöhtem Gefährdungspotenzial" sogar 135 Euro. Wien führte 2010 für sogenannte Kampfhunde verpflichtend den Hundeführschein ein.

Zahl der Hunde eindämmen

Darin, dass die Tarife in Wien ab zwei Tieren teurer werden, vermutet Chiba den Versuch, die Anzahl der Hunde einzudämmen. Bestätigt wird das vom Büro der Stadträtin Ulli Sima (SPÖ) nicht. Eine Sprecherin sagt nur: "Jeder weiß, wie eng es in der Stadt ist."

Aus Chibas Sicht sind die Flächen für Hunde zu knapp bemessen. 2015 waren es im Schnitt 19 Quadratmeter Freilauffläche pro Hund. Die Hundezonen würden zudem oft in der Pflege vernachlässigt. Dabei seien sie als Begegnungs- und Aufenthaltsort für Mensch und Tier wichtig – "auch für sozial schwache Personen". Die mangelnde Pflege sorge auch für Unmut: Manche fragten sich, wozu sie Hundeabgabe bezahlten. Diese ist rechtlich nicht zweckgebunden, wird laut Büro Sima aber für "Aufwendungen für Hunde" genutzt – etwa für Sackerlspender oder die Hundezonenpflege. 2015 nahm Wien rund 4,3 Millionen Euro aus der Hundeabgabe ein. (Christa Minkin, Gudrun Springer, 10.10.2016)