St. Louis / Washington – In gespannter, teils aggressiver Atmosphäre ist am Sonntag die zweite TV-Debatte zwischen den US-Präsidentschaftskandidaten Donald Trump und Hillary Clinton über die Bühne gegangen. Wiederholt warfen der Republikaner und die Demokratin einander vor, Lügen über den anderen zu verbreiten. Aber auch Entschuldigungen waren von beiden zu hören.
Zu Beginn entschuldigte sich Trump erneut für seine Äußerungen, wonach reiche, berühmte Männer Frauen sexuell belästigen können, ohne dafür mit Konsequenzen rechnen zu müssen.
Er schäme sich sehr dafür und entschuldige sich bei seiner Familie und bei der US-Bevölkerung, sagte Trump auf die Frage einer Zuschauerin, ob er ein Vorbild für die Jugend in den USA sei. Gleichzeitig spielte er die Äußerungen erneut als "Umkleidekabinen-Gespräch" herunter und meinte, Clintons Ehemann Bill habe sich viel schlimmer gegenüber Frauen verhalten.
Clinton: Gesehen, wer Trump ist
Clinton konterte, seine sexistischen Äußerungen seien bezeichnend für Trumps Persönlichkeit: "Jedem, der (das Video) gehört hat, ist klar, dass das genau ausmacht, wer er ist." Trump habe Frauen beleidigt. Er habe zudem Migranten, Afroamerikaner, Latinos, Behinderte, Muslime und andere verbal ins Visier genommen.
Trump droht Clinton mit Gefängnis
"Es war ein Fehler", sagte Clinton zu ihrer Praxis, dienstliche E-Mails als Außenministerin von einem privaten, ungesicherten Server aus zu versenden. Trump hatte zuvor erklärt, Clinton säße dafür im Gefängnis, wenn er das Land führen würde. Die Nachrichtenseite vox.com kommentiert, diese Drohung gegen Clinton sei eine Bedrohung für die Demokratie.
Trump erklärte auch, jedes Jahr "hunderte Millionen Dollar" Steuern zu zahlen. Sobald die routinemäßige Überprüfung seiner Steuerunterlagen abgeschlossen sei, werde er seine bisher unter Verschluss gehaltene Steuererklärung veröffentlichen. Im Übrigen seien die Steuern in den USA deutlich zu hoch und müssten gesenkt werden, während Clinton sie erhöhen wolle.
Clinton entgegnete, dass Trump etwa 20 Jahre lang keine Steuern gezahlt habe: "Donald kümmert sich immer um Donald und Menschen wie ihn." Er plane, vor allem Reichen und Unternehmen große Steuererleichterungen zu genehmigen. Die "New York Times" hatte zuvor eine alte Steuererklärung Trumps veröffentlicht. Demnach machte er im Jahr 1995 Verluste von knapp 916 Millionen Dollar geltend. Das könnte es ihm der Zeitung zufolge 18 Jahre lang erspart haben, Einkommensteuer an die Bundessteuerbehörde abzuführen.
Trump will Obamacare abschaffen
Die von Barack Obama eingeführte flächendeckende Krankenversicherung will Trump im Fall seiner Wahl abschaffen. "Obamacare ist eine totale Katastrophe", sagte er, die Krankenversicherung sei zu teuer und müsse komplett neu geregelt werden. Clinton sagte, dass das Gesetz zur Versicherung überarbeitet werden müsse, die erreichten Erfolge aber nicht verspielt werden dürften.
Während Trump bekräftigte, dass Muslime vor ihrer Einreise in die USA genau überprüft werden müssten, erklärte Clinton, die USA seien "nicht im Krieg mit dem Islam".
Clinton will keine Bodentruppen in Syrien
Der Einsatz bewaffneter US-Bodentruppen in Syrien wäre nach Ansicht Clintons ein "schrecklicher Fehler". Es sei aber sinnvoll, Militärberater zur Unterstützung der Rebellen in das Bürgerkriegsland zu schicken.
Clinton plädierte zudem dafür, Sicherheitskräfte im Irak durch US-Ausbildner zu unterstützen. Im Fall ihrer Wahl würde sie das Militär auf den Anführer der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS), Abu Bakr al-Baghdadi, ansetzen. Zudem müssten kurdische Kämpfer bewaffnet werden.
Trump bezeichnete die Lage in der umkämpften syrischen Stadt Aleppo als "Katastrophe" und sagte, der Kampf gegen den IS müsse noch verstärkt werden.
Kein Handschlag zu Beginn
Das TV-Duell hatte ohne einen Handschlag der beiden Präsidentschaftskandidaten begonnen, nachdem Trump unmittelbar zuvor mit einer überraschenden Pressekonferenz in die Offensive gegangen war. Erst am Ende der Debatte reichten die beiden Kandidaten einander die Hand.
Trump war vor dem TV-Duell mit vier Frauen aufgetreten, die Clintons Ehemann Bill vorwerfen, sie missbraucht zu haben. In keinem der vorgebrachten Fälle ist Bill Clinton vor Gericht angeklagt worden. Während des Kurzauftritts, der live auf Facebook übertragen wurde, sprachen die Frauen am Sonntagabend Trump ihre Unterstützung aus. (APA, 10.10.2016)