Am Wohnprojekt Gleis 21 beim neuen Hauptbahnhof soll ab dem kommenden Jahr gebaut werden. Die Fertigstellung ist für 2018 geplant.

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Baugruppen sind mittlerweile Teil von jedem größeren Stadtentwicklungsprojekt: In der Seestadt Aspern haben auf dem Baufeld D13 fünf solche Gruppen Wohnbauten realisiert. Auch beim Hauptbahnhof, östlich des Helmut-Zilk-Parks, entsteht mithilfe von vier Baugruppen ein neues Grätzel.

Einige Projekte wurden bei der Tagung "Soziale Ausrichtung von Baugemeinschaften" – unter Leitung und Koordination des deutschen Bundesverbands Baugemeinschaften sowie der österreichischen Initiative für gemeinschaftliches Bauen und Wohnen – vor kurzem vorgestellt.

Einkaufsgemeinschaft

Die Baugemeinschaft Gleis 21 errichtet im Sonnwendviertel ein Haus für ein durchmischtes Publikum. Gemeinschaftsräume sollen am Dach zur Verfügung stehen, während das Haus im Erdgeschoß auch nach außen hin zugänglich bleibt. Es soll beispielsweise eine Foodcoop geben, einen Zusammenschluss zum gemeinsamen Einkaufen. Auch eine offene Medienwerkstatt wird angedacht.

Gleichgesinnte finde man über Castings, sagt Bewohnerin Veronika Felber: "Es werden Solidaritätspunkte vergeben, um auch Bedürftigere einzubeziehen." Die Gemeinschaft sei am Ende eine eigene soziale Kategorie zwischen Freund und Nachbar. Besonders Wert auf Diversität bei der Herkunft wurde auch beim Baugruppenprojekt LiSA in der Seestadt Aspern gelegt. Zwölf Herkunftsländer und der sozialen Bedürftigkeit angepasste Eigenmittelanteile charakterisieren dieses Projekt.

Soziale Komponente

Die Beherbergung von Geflüchteten und ein Solidaritätsfonds zur sozialen Absicherung der Bewohner sind bei sozialeren Baugruppen heutzutage üblich – beim Wohnprojekt Wien am Nordbahnhofgelände zum Beispiel. Eine thematische Ausrichtung hat diese Baugruppe – im Gegensatz zu den meisten anderen – aber nicht: "Jung und Alt und unterschiedliche Familiensituationen ergänzen einander hier", meint Heinz Feldmann, einer der Mitbegründer der Baugruppe.

Hier gibt es auch Gästewohnungen. Der Anteil an Gemeinschaftsflächen beträgt beachtliche 20 Prozent. Luxus, der die Bezeichnung sozial nicht verdient, ist das laut Feldmann trotzdem nicht: "Die Mieten sind leistbar, weil Tätigkeiten in die gemeinsam genutzten Räume ausgelagert werden."

Mitbestimmung als Chance

In der Gruppe zu kochen oder Fußballübertragungen zu verfolgen ist hier möglich. Umgekehrt ist aber auch Eigenleistung verpflichtend. Damit am Ende auch die Passenden zusammenkommen, wird bei Interessenten viel Informationsarbeit geleistet. Weil die Nachfrage das Angebot deutlich überstieg, wurde auch auf dem Nordbahnhofgelände selektiert. Für Projektierung, Planung und Baubegleitung sind beim Wohnprojekt Wien nicht weniger als 24.000 Stunden an Eigenleistungen investiert worden.

Einer aktiven Baugemeinschaft kann auch Grünen-Gemeinderat Christoph Chorherr, Mitglied des Planungsausschusses in Wien, einiges abgewinnen: "Mitbestimmung ist eine Chance, die eigenen Lebensbedingungen mitzugestalten", sagte er im Rahmen einer Podiumsdiskussion auf der Tagung.

Ob es lokale Kulturinitiativen sind, Deutschkonversationen für Fremdsprachige, unentgeltliche Kinderbetreuung oder der gemeinschaftsdienliche Betrieb eines Kaffeehauses: Die Baugruppen verbindet der Wille zur aktiven Nachbarschaft.

Forderung: Baugruppen stärker berücksichtigen

"Das sind mikroökonomisch rege Gruppen, deren Wirken in die Umgebung ausstrahlt", berichtet Kurt Hofstetter, Koordinator der Internationalen Bauausstellung Wien: "Das ist eine wertvolle soziale Leistung für die Entwicklung der Stadt."

Gerade bei der Besiedelung von Quartieren sei ein solches Engagement und lösungsorientiertes Denken gut für die Stadtentwicklung. Chorherr sieht einen Mehrwert insbesondere auch für die Sockelzone: "Es gab einen Bauträger, der auf mich zugekommen ist und der bevorzugt eine Baugruppe als Nachbar wollte." Daher, so wurde es auf der Veranstaltung immer wieder gefordert, sollen Baugruppen, die ihren Namen auch wirklich verdienen, bei Grundstücksvergaben vermehrt berücksichtigt werden. (Peter Matzanetz, 5.11.2016)