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Am Ende standen sie erneut am Pranger: Die Meinungsforscher haben versagt, heißt es. Schon wieder – nach schweren Fehlschlägen etwa bei den Midterm-Elections 2014, den britischen Wahlen, beim Brexit-Votum und der ersten Runde von Österreichs Präsidentenwahl.

Dabei war der Irrtum diesmal eigentlich gar nicht so groß: Am Wochenende sagten Umfragen Hillary Clinton im Schnitt landesweit einen Vorsprung von etwa 2,5 Prozentpunkten voraus. Das ist vom Ergebnis gar nicht weit weg: Am Mittwoch gingen Prognosen davon aus, dass Clinton in der Summe aller abgegebenen Stimmzettel einen Vorsprung von knapp einem Prozentpunkt haben würde. Der Verlust der Präsidentschaft ist vor allem auf die aus ihrer Sicht ungünstige regionale Verteilung der Stimmen – knappe Verluste in Swing-States, hohe Siege in sicheren demokratischen Staaten – zurückzuführen, die sich in der Verteilung der Wahlmänner niederschlägt.

Deutlich daneben lagen die Umfragen teils in den Swing-States: um mehr als vier Prozent etwa in Minnesota, Wisconsin, Michigan, Pennsylvania und Ohio. Sie alle teilen eine Charakteristik: Sie sind ehemalige Hochburgen der Demokraten, haben ein starkes Stadt-Land-Gefälle, ihre Bevölkerung ist in der Mehrheit weiß, weniger wohlhabend als der US-Schnitt und geringer gebildet.

Lesebeispiel: In Maine lag Hillary Clinton gemäß Umfragen 6,9 Prozentpunkte vor Donald Trump. Tatsächlich hatte sie 3 Prozentpunkte Vorsprung.

Dass diese Menschen eine Zielgruppe Trumps sein würden, hatten auch die Demoskopen erkannt: Ihre Einschätzung, dass diese Leute mit großer Mehrheit zu Trump neigen würden, bestätigte sich fast auf den Prozentpunkt. Wo die Forscher hingegen völlig irrten: Sie unterschätzten die Wahlbeteiligung dieser Gruppen massiv – sie gingen in einem Maß zur Wahl, das Trump in seinen Reden zwar stets angekündigt hatte, das die Forscher aber für unplausibel hielten.

Keine Latino-Wahlwelle

Für kleinere Einschätzungsfehler sorgten hingegen falsche Annahmen über andere Bevölkerungsgruppen: In Florida etwa, wo Clinton nur zwei Prozentpunkte hinter ihren Umfragewerten lag, brachte das Wahlkampfteam der früheren Außenministerin zwar Latinos in großem Umfang an die Urnen. Doch stimmte diese Bevölkerungsgruppe dann in geringerem Ausmaß für Clinton als angenommen – insgesamt votierte ein geringerer Prozentsatz der Latino-Wähler in diesem Jahr für Clinton als vor vier Jahren für Barack Obama. Gleiches gilt für andere Gruppen, um die die Kandidatin geworben hatte, etwa auch für Afroamerikaner. Und unter den US-amerikanischen Wählerinnen lag Clinton nur in etwa gleich gut wie der amtierende Präsident – dort hatten die Demokraten auf hohe Zuwächse gehofft.

Allerdings war die Frage, wie sicher ein Sieg Clintons tatsächlich sei, in der vergangenen Woche auch unter den US-Umfrageprofis bereits umstritten. Wahlforschungsguru Nate Silver von fivethirtyeight.com verteidigte etwa massiv das Berechnungsmodell seiner Internetplattform, das Clinton "nur" eine Siegeschance von rund zwei Dritteln einräumte – im Vergleich etwa zu jenen der "New York Times" und der "Huffington Post", die ihr Chancen von 85 und über 90 Prozent zuwiesen.

Auf dem Medienportal – das freilich die falschen Umfragen aus dem Mittleren Westen ebenfalls aufführte – war in der vergangenen Woche ein Stück erschienen, auf das man nun mit Stolz verweist. Der Titel: "Trump liegt nur einen normalen Umfragefehler hinter Clinton". (Manuel Escher, Grafik: Gerald Gartner, 9.11.2016)