Wien – Das Urteil des Obersten Gerichtshofs (OGH), wonach Gefälligkeitsartikel nicht als Werbung gekennzeichnet werden müssen, sorgt weiter für Aufregung. Der PR-Ethikrat kritisierte wie am Montag berichtet, dass das Urteil der Lesertäuschung Vorschub leiste und die zentrale Korrektivrolle der Medien unterminiere. Der VwGH-Richter und Blogger Hans Peter Lehofer verteidigte den OGH.

"Nach der bisherigen Judikatur wurde unbezahlte Werbung in Gestalt redaktioneller Berichterstattung zutreffend als unzulässige Täuschung des Publikums beurteilt. Das Abgehen von dieser Judikaturlinie ist ein politisch falsches Statement und ein Schlag ins Gesicht jeder Medienethik", erklärte die Vorsitzende des PR-Ethikrats, Gabriele Faber-Wiener.

Der PR-Ethikrat weist darauf hin, dass bei als unentgeltlich dargestellten werblichen Veröffentlichungen sehr wohl oft Geld fließe, "und zwar meist in Form von intransparenten und damit schwer nachweisbaren Koppelungsgeschäften. Der Oberste Gerichtshof urteilt hier schlicht realitätsfern."

Die Höchstrichter würden Meinung und gekaufte Berichterstattungen verwechseln. Dass der Oberste Gerichtshof diese Entscheidung gefällt hat, sei auch ein politisches Statement und demokratiepolitisch bedenklich, sagt sie zum STANDARD. Aus Sicht des PR-Ethikrats birgt das Urteil die Gefahr, den "bedenklichen Trend", Journalisten durch Content Marketing zu umgehen, zu verstärken.

Lehofer verteidigt Entscheidung: OGH kann keine Vermutungen zugrunde legen

Lehofer, einst Chef der Medienbehörde und seit langen Jahren Richter am Verwaltungsgerichtshof, räumte auf seinem privaten Blog in einem Punkt zwar eine "etwas unglückliche Argumentationskette" ein, verteidigte das Urteil aber. "Dass der OGH hier von Gefälligkeit ausgeht, ist nicht naiv, sondern notwendig: Er kann seiner Entscheidung keine Vermutungen zugrunde legen, sondern muss bei den festgestellten Tatsachen bleiben", so Lehofer. Printmedien sei zudem unentgeltliche "Schleichwerbung" – anders als im Fernsehen und Radio – vom Mediengesetz nicht untersagt, auch seien positive oder werbliche Artikel nicht verboten.

Im Kern gehe es aber um die Frage, ob ein Zusammenhang zwischen Entgelt (für Inserat) und Artikel festgestellt werden kann. "Das wird häufig letztlich eine Beweisfrage sein und ist im Einzelfall zu würdigen", erklärte Lehofer. "Als Freibrief für 'Paketangebote' von Inserat und Artikel kann das OGH-Urteil jedenfalls nicht gelesen werden, im Gegenteil: wenn ein solches Paket geschnürt wird (Inserat und Artikel zu Gesamtpreis), ist der Artikel jedenfalls nach § 26 Mediengesetz zu kennzeichnen."

Update: Kritik am OGH-Urteil auch vom PRVA

Auch der Public Relations Verband Austria (PRVA) kritisiert das OGH-Urteil. "Von Seiten des Public Relations Verband Austria ist dieses Urteil nicht nachvollziehbar. Es ist bedauerlich genug, dass wir gehäuft mit Gefälligkeitsberichterstattung konfrontiert sind. Dass nun der OGH dieser auch noch den Weg ebnet, ist eine große Enttäuschung", sagt PRVA-Präsidentin Susanne Senft. "In der schnelllebigen Medienlandschaft ist es für Menschen selbst mit hoher Medienaffinität mitunter schwer zu differenzieren. Die Mehrheit der Rezipienten hat bei dieser Darstellungsform keine Chance, objektive Berichterstattung von 'Gefälligkeitsberichterstattung‘ zu unterscheiden. Deshalb ist absolute Transparenz gefordert, die in Qualitätsmedien vorbildlich praktiziert wird", sagt sie. Als Beispiel nennt Senft den Hinweis, wenn ein Bericht erst aufgrund einer Einladung eines Unternehmens zu Stande gekommen ist. Der Rezipient kann aufgrund dieser Information selbst entscheiden, wie er die Berichterstattung bewertet.

Senft: "Für den PRVA ist das vorliegende OGH-Urteil ein herber Rückschlag. Zumal sich die PR-Branche große Mühe gibt, Content-Marketing von der imagebasierten PR zu unterscheiden." (APA, red, 15.11.2016, Update: 16.11.2016)