Der Wiener Jusstudent Moritz hat während der Uniferien dabei geholfen.

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Seit Februar 2016 ist die Aquarius vor Libyen unter-wegs. Mehr als 4500 Menschen konnten von SOS Mediterranee geborgen werden.

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Wien – Wenn sich das Meer von seiner ruhigsten Seite zeigt, der Wellengang niedrig ist, dann sind die Helfer in höchster Alarmbereitschaft. Jeden Moment könnte ein Fleck am Horizont auftauchen, eine Nussschale von Boot, an Bord hunderte Flüchtlinge.

Es sind Szenen wie diese, die Moritz als Alltag auf dem Fischtrawler Aquarius beschreibt. Während andere Studenten den Sommer für Reisen oder Praktika aufwenden, machte der 20-jährige Jusstudent eine besondere Erfahrung: Er war im Sommer drei Wochen auf dem Rettungsschiff der NGO SOS Méditerranée im Einsatz. Durch Zufall stolperte er über einen Text in der Wochenzeitung "Zeit", der den Handelskapitän Klaus Vogel bei einem der Einsätze begleitete. Vogel hatte die NGO im Frühling 2015 gegründet, nachdem die Mittel für die Seerettung im Mittelmeer gekürzt worden waren.

Nun versuchen NGOs die Lücken zu füllen. Ärzte ohne Grenzen (MSF) hat zwei Schiffe im Einsatz, ein Ärzteteam arbeitet auf der Aquarius. Seit Februar 2016 ist sie im Einsatz, über 4500 Menschen wurden seitdem geborgen.

Freiwillige Helfer, auch Studierende aus mehreren Ländern, bilden das Search-and-Rescue-Team. Mindestens drei Wochen sind sie auf dem Schiff. So lang kann die Aquarius vor der libyschen Küste kreuzen, dann muss sie wieder einen Hafen ansteuern. Moritz war Teil dieser Gruppe: "Unsere Aufgabe war es, rauszufahren, Menschen zu beruhigen und sie an Bord zu bringen." Dort übernimmt MSF die Betreuung.

Unfreiwillige Überfahrt

Die meisten kämen zum Arbeiten nach Nordafrika und entschieden sich dann erst für die Überfahrt, erzählt Moritz über die Gespräche mit Geretteten. "Einige haben gemeint, dass sie gar nicht freiwillig in dem Boot gesessen wären, sondern von den Schleppern zur Überfahrt gezwungen wurden." Vor einigen Jahren noch sind die Schlepper mitgefahren, um die Boote nach Italien zu manövrieren, es gab genügend Platz, um auf Deck zu schlafen.

Heute werden bis zu 130 Menschen in ein zehn Meter langes Schlauchboot gepfercht. Es gibt keine Schwimmwesten, kaum Verpflegung und gerade genug Sprit, um es aus der Zwölf-Meilen-Zone zu schaffen. Von Navigation keine Rede.

Die einzige Rettung sind die Schiffe der Küstenwache und der NGOs. Doch manchmal kommen sie zu spät, auch einmal während Moritz' Einsatz im Sommer. 21 Frauen und ein Mann konnten nur mehr tot aus einem Schlauchboot geborgen werden; vom ausgelaufenen Sprit benebelt waren sie im knietiefen Wasser ertrunken. "Solche Bilder vergisst man nicht." Erfahrung als Sanitäter sei vorteilhaft, sagt der Student der Universität Wien. So sei die psychische Belastung an Bord leichter zu ertragen gewesen: "Nach dem Einsatz konnten viele nicht schlafen." Gab es auch schöne Ereignisse? "Der persönliche Kontakt, der oft sehr herzlich ist, verändert den Blick auf die Situation der Flüchtlinge gewaltig", sagt Moritz. "Überrascht war ich, wie gut sie sich mit europäischem Fußball auskennen."

ECTS-Punkte gibt es für den Einsatz im Mittelmeer keine, doch die Eindrücke und das Interesse bleiben. Regelmäßig informiert er sich über die aktuellen Einsätze. Erst vor kurzem wurden 720 Menschen gerettet: "Das klingt immer nach wenig in den Medien. Aber jeder Einzelne muss an Bord gebracht und versorgt werden, da leisten die Freiwilligen Unglaubliches." (David Tiefenthaler, 17.11.2016)