"85 Prozent aller Lungenkrebserkrankungen betreffen in Zentraleuropa Raucher", sagt der Wiener Onkologe Peter Pirker.

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Wien – Das Lungenkarzinom zählt zu den Krebserkrankungen mit der schlechtesten Prognose. Jährlich werden weltweit 1,8 Millionen Neudiagnosen gestellt. Für 1,6 Millionen Menschen ist die Erkrankung tödlich. "Trotz der Fortschritte der Medizin bleibt die Prävention am wichtigsten", sagt der Wiener Onkologe Peter Pirker von der MedUni Wien am AKH, der auch der Kongresspräsident der bevorstehenden Welt-Lungenkrebs-Konferenz ist. Die Veranstaltung wird zwischen 4. und 7. Dezember in Wien stattfinden.

"Lungenkrebs bleibt die häufigste Krebsform weltweit. Die Zahlen steigen eher noch an. Die 1,8 Millionen Neuerkrankungen jährlich entsprechen einem Anteil von 12,9 Prozent der Krebsleiden, die 1,6 Millionen Lungenkrebs-Todesfälle machen 19,4 Prozent der Krebs-Todesfälle aus", so der Pirker. Das liegt daran, dass nur rund 20 Prozent der Lungenkrebserkrankungen in einem potenziell heilbaren Frühstadium entdeckt werden.

Die Relation zwischen Neuerkrankungen und Todesopfern ist beim Lungenkarzinom deutlich ungünstiger als jene beim zweithäufigsten Krebsleiden, dem Mammakarzinom: Jährlich erkranken daran 1,7 Millionen Menschen. Das macht 11,9 Prozent der Krebsleiden weltweit aus. Die 522.000 Todesfällen pro Jahr entsprechen 6,4 Prozent der Krebs-Todesfälle.

Umstrittene Früherkennung

Die Zahlen sind auch in Europa ernüchternd: Täglich wird in der EU bei 1.100 Menschen ein Lungenkarzinom diagnostiziert. Täglich sterben daran rund 1.000 Menschen. Pro Jahr sind das 353.000 Tote. Die Mortalität durch Lungenkrebs steigt international pro Jahr um 4,7 Prozent an. 2013 starben an einem Lungenkarzinom in Österreich 2.537 Männer und 1.357 Frauen.

"85 Prozent aller Lungenkrebserkrankungen betreffen in Zentraleuropa Raucher. In China sind es 60 Prozent. Die Situation ist dramatisch. Deshalb ist bei dem Kongress in Wien 'das' große Thema die Prävention", erläutert Pirker. International wird versucht, neue Wege für die Eindämmung und Verhinderung des Tabakkonsums zu finden. Gleichzeitig soll das mit einer Intensivierung der Frühdiagnostik verbunden werden.

"Eine Studie in den USA hat gezeigt, dass man mit regelmäßigen Low-Dose-Computertomografien bei schweren Rauchern die Sterblichkeit durch Lungenkrebs um 20 Prozent senken kann. Das Problem sind aber die falsch positiven Befunde bei einem Drittel der Untersuchten, die sich dann zu 96 Prozent nicht als Krebs herausstellen", sagt der Onkologe. Das verursacht bei den Betroffenen natürlich furchtbare Angst, es werden im Endeffekt diagnostische Eingriffe (Biopsien) durchgeführt, die zumeist keinen Krebsbefund bringen.

Tabakprävention wirkt

Die Bedeutung der Prävention beim Lungenkrebs durch Eindämmung des Tabakkonsums wird bei der Welt-Lungenkrebs-Konferenz in Wien auch dadurch besonderen Stellenwert erhalten, dass als prominenter Sprecher der Präsident von Uruguay teilnehmen wird. Tabare Vazquez, selbst Onkologe, wird zum Thema Tabakkontrolle sprechen.

Das für seine strenge Tabakgesetzgebung bekannte lateinamerikanische Land hat im Sommer dieses Jahres einen vom Philip Morris angestrengten Prozess vor einem internationalen Schiedsgericht gewonnen. Die Forderung des Tabakmultis nach Schadenersatz wurde zurückgewiesen. "In Ländern mit einer strikten Anti-Tabak-Politik geht die Zahl der Lungenkrebsfälle nachweislich zurück. Auf dem Weltkongress werden wir erfolgreiche Beispiele aus aller Welt diskutieren", sagt Kongresspräsident Robert Pirker.

Medizinische Fortschritte

Gleichwohl sind auch deutliche medizinische Fortschritte in der Behandlung von Lungenkarzinom-Patienten zu registrierten: So zum Beispiel zeigt sich, dass bei einer Operation im Frühstadium laparoskopische Eingriffe ("Schlüsselloch-Chirurgie") genauso gut bei deutlich weniger Belastung der Kranken sind wie offene Operation per Skalpell.

Im vergangenen Jahrzehnt hat sich auch die zielgerichtete medikamentöse Therapie mit Auswahl der Arzneimittel aufgrund der molekularbiologischen Eigenschaften des Tumors etabliert. So zum Beispiel weisen etwa zwölf Prozent der Lungenkrebspatienten in Österreich eine sogenannte EGFR-Mutation der Tumorzellen auf. Das macht 60 Prozent gut ansprechbar auf bestimmte Tyrosinkinasehemmer. Allerdings kommt es nach einiger Zeit zu Resistenzen. "Hier gibt es aber schon solche Medikamente, die bei Resistenzen gegen das erste Medikament eingesetzt werden können. Und ein solches Medikament der dritten Generation wurde speziell entwickelt, um auch dann noch zu wirken, wenn die Lungenkrebserkrankung nach dem Einsatz dieser Mittel der ersten und dann der zweiten Generation weiter fortschreitet."

Einen zum Teil vergleichbaren, aber länger anhaltenden Effekt erzielen derzeit die neuen Immuntherapeutika. Es handelt sich dabei vor allem um monoklonale Antikörper wie Nivolumab, Ipilimumab etc., welche die Tumor-eigenen Bremsen (PD-L1, CTL-A4) für den Angriff der Immunzellen lösen und das Abwehrsystem der Betroffenen wieder scharf machen. Bei Patienten mit fortgeschrittenem nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom konnte damit die Überlebenswahrscheinlichkeit nach einem Jahr von 24 auf 42 Prozent und nach zwei Jahren von acht auf 23 Prozent erhöht werden. (APA, 22.11.2016)